1869 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert, Bender, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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2. Das Pflanzenreich.
Gott ist groß in allen seinen Werken! Warum in den Wundern
entfernter Gebiete des Weltalls ihn suchen? Seine Macht und Weis-
heit ist in den Bahnen des Himmels, wo Erden, Sonnen und Monde
in unveränderlichen Kreisen und Ordnungen schweben, nicht erhabener,
nicht unbegreiflicher, als in den Gefäßen, Adern und Fasern des klein-
sten Blättchens einer am Sonnenstrahl sich entfaltenden Blume. —
Der Herr ist überall groß und sich überall gleich im weiten Welt-
gebäude, wie im kleinsten Grashalme. Die Lebewsgeschichte einer
einzigen Pflanze wäre hinreichend, den hartnäckigsten Zweifler vom
Dasein einer höchsten Weisheit und Vorsehung zu überzeugen. Aber
wer kann eine solche Geschichte würdig und allumfassend genug be-
schreiben, wie sich aus dem geringen Samenkorn ein Keim entwickelt,
der nach Jahren zum weitschattenden Baume wird, welcher vielen
hundert, ja tausend lebendigen Geschöpfen auf und unter ihm Küh-
lung, Schutz, Aufenthalt oder Nahrung giebt? Jeder Baum ist eine
kleine Welt von Thieren aller Art; ja jedes Blatt ist eine Stadt
von einer Menge mit bloßen Augen kaum erkennbaren Kreaturen.
Für alle sorgt Gott. Für sie ist keine andere Welt als dieser Baum,
an dem sie wohnen; er steht seit Jahrhunderten, und tausend Ge-
schlechter sind auf ihm geboren und vergangen. So erreichen unsere
Eichen oft das Alter von einem halben Jahrtausend, und auf dem
Libanon sollen noch Cedecn grünen, die Salomo's Tage sahen.
Jede Gegend des Erdballs ist durch die Hand des Schöpfers
mit den ihr eigenthümlichen Pflanzen geschmückt. Aber viele,
welche für den Menschen eine gesunde Nahrung bieten, sind einer
solchen Natur, daß sie sich fast überallhin, wo Sterbliche wohnen,
verpflanzen lassen. Vor Zeiten waren die Länder unserer Gegend
unermeßliche Wüsteneien, Herbergen wilder Thiere; meistens von
unfruchtbaren Bäumen und ungenießbaren Kräutern bedeckt. — Jetzt
gleicht unser Vaterland einem großen Garten, versehen mit den nütz-
lichsten und schönsten Gewächsen aller Welttheile. — Fast alle unsere
Obstbäume, die nun bei uns längst einheimisch sind, wurden hieher
aus warmen Morgenländern verpflanzt; ebenso die lieblichsten
unserer Blumen und Küchengewächse. Pfirsich und Rose aus Per-
st e'.n und Syrien; das Getreide aus dem hohen Asien; die nahr-
hafte Kartoffel aus Amerika, desgleichen der Mais oder türkische
Weizen, welcher in seinen körnerreichen Kolben drei- und sechshundert-
fältige Frucht bringt.
Die Pflanzen der Erde: die Bäume, Sträucher, Kräuter,
Gräser, Moose und Pilze zerfallen — von einigen Botanikern
höher, von andern niedriger geschätzt — in mehr denn 200,000 Arten.
Jede dieser Pflanzen arten ist verschieden von der andern gebaut;
keine der andern gleich, jede zu ihrem Zweck auf das vortheilhafteste.
Sehet auf das Korn, welches auf den Feldern prangt; jeder Halm