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1. Für die Oberklassen - S. 78

1857 - Leipzig : Wöller
78 send Jahren, und wenn dem Seiler Franz von Fürs eld, in der weiten Welt draußen etwas Außerordentliches passirte, dachte er immer: „Was werden sie daheim in Fürfeld (es ist das ein kleines Dorf, und steht auf keiner Landkarte), wohl dazu sagen? Was werden sie denken, wenn ich einmal heim komme mit Kutsch' und Pferd? Er ist heimgekommen mit Kutsch' und Pferd, aber hat nicht mehr gehört, was die Fürfelder dazu sagen. An der langen Kirchhofmauer zu Fürfeld hatte früher der Seilermei- stcr seine Werkstätte, und es ging dabei, wie es das Geschäft mit sich bringt, ihm und seinem Lehrjungen immer hinderlich. Der Lehr- junge, er hieß Franz mit Namen, war schon frühe ein absonderlicher Kopf, der sich oft an die Kirchhofmauer stieß, d. h. in Gedanken. Er konnte nicht begreifen, warum man die Todten in eine Mauer einschließe; eine lebendige Hecke wäre viel schöner gewesen. Dann blickte Franz oft hinüber nach dem Plätzchen, wo sein Vater und seine Mutter lagen. Es war gut, daß er sich am Seile halten und rückwärts gehen konnte, denn Thränen verdunkelten sein Auge und seine Knie zitterten. Dort lagen alle seine Lieben, er hatte keine Geschwister und keine Verwandten. Wie das aber so geht: wenn man tagtäglich etwas sieht, merkt man nichts mehr davon und das Gefühl stumpft sich ab. So sah Franz auch bald nicht mehr an die Mauer und sah nicht mehr nach den Gräbern hinüber. Viele tausend Menschen sehen nichts mehr von den Verkehrtheiten und Traurigkeiten auf ihren Wegen, weil sie daran gewöhnt sind, und sic leben gedankenlos fort. Die Zeit der Wanderschaft kam. Franz hatte leichtes Gepäcke, aber auch viel leichten Muth. Als er an dem Kirchhofe vorüberzog und den schmalen abgetretenen Fußpfad sah, den er tausend - und aber- mal tausendmal gemessen hatte, da dachte er mit schwerem Herzen daran, was für neue abgetretene Pfade er jetzt zu wandern habe. Noch ein Blick hinüber nach jener heiligen Stätte, und — fort ging's mit einem lustigen Liede. Franz war ein frommes, Gott vertrauendes Gemüth. Er wanderte nun vorerst nach den südlichen Ländern. Er fand nur selten Arbeit. Da nahm er sich endlich vor, nach Italien zu wandern; er wußte selber nicht recht, warum, aber ein wandernder Handwerksbursche macht kei- nen Umweg, wenn er auch noch so sehr fehl geht. Er fand auch hier wenig Arbeit, denn man hatte inländische Stricke genug und brauchte keine fremden, und auch hier laufen die ärgsten Spitzbuben Angehangen umher. Franz ging zuerst auf Venedig zu. Dort wollte er lernen, große Schiffstaue zu machen. Darnach trug er großes Verlangen. Unterwegs aber muß er mit Trauer sehen, daß seine
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