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1. Für die Oberklassen - S. 79

1857 - Leipzig : Wöller
79 Stiefel nicht mehr Stich hallen wollen, sondern nach allen Seiten hin ausreißen. Er nimmt nun die Fußbekleidung in die Hand, und marschirt barfuß weiter. Eines Tages, als ihm die Füße gewaltig brennen, legt er sich am Saume eines Waldes nieder, um zu schla- fen; vorher betet er noch zu Gott, er möge ihm doch beistehen und ihm vor allem ein Paar gute Stiefel beschceren. Ein Dutzend schwarzbärtiger Kerle, den Hut tief in die Stirne gedrückt, kommen aus dem Walde, sehen den schlafenden Gesellen, lachen und murmeln unter einander: „An dem ist nichts zu holen, der hat keine Stiefel mehr." Ein muthwilliger junger Fingerlang schleicht indeß herzu und wirft aus Spaß die Stiefel des Seilers eine tiefe Schlucht hinab, wohin fast noch nie ein Stiefel gekommen ist. Darauf schreiten sie fürbaß und harren in einer Schlucht des schwer- bepackten Reisewagens, der eben herankommt. Mit Pistolen, Dol- chen und langen Messern zwingen sie die Reisenden auszusteigen und sich alles nehmen zu lassen. Der Postillon scheint mit im Einvcrständniß zu sein; alles geht so schnell und so ruhig her, als ob es eine fried- liche Theilung wäre. Zuletzt geht noch der junge Bandit auf einen langen hagern Mann, der dem Anscheine nach ein Engländer war, zu, und sagt: „Herunter mit den Stiefeln!" Erst nach der Drohung, daß ihm die Füße abgeschnitten würden, willfahrte der lange Engländer. Nun eilt der Bandit auf unsern schlafenden Franz zu, stellt ihm die schönen Stiefel hin, und nach einer Weile ist alles still, wie wenn weit und breit kein Mensch gewesen wäre. Als Franz erwacht, reibt er wiederholt die Augen, da er die schönen Stiefel sieht; er zieht sie aber ruhig an, sie sind ihm wie angegossen und er sagt: „Die hat mir unser Herrgott durch einen Engel hinstellen lassen." Was wür- den sie daheim in Fürfeld dazu sagen, war dann der zweite Gedanke unseres Franz. War er früher froh und zuversichtlich, so war er's jetzt doppelt; denn er glaubte steif und fest, er dürfe nur beten und schlafen, und es würde ihm alles bescheert. Das ging aber nicht immer so glücklich, und er mußte in Venedig mit leerem Magen herumlaufen und in den offenen Säulengängen auf den Steinen schlafen. So hatte er sich eines Abends, als es zu dämmern begann, ein gutes Plätzchen ausgesucht. Nicht weit von ihm hatte sich ein schwarzbärtiger Mann niedergelassen und suchte Franz für „sein freies Leben in den Bergen," wie er die Räuberei nannte, zu werben. Franz wollte aber nicht mitthun, legte die Beine über einander und betrachtete die vom Himmel geschenkten Stiefel; das waren Wunder- werke, sie schienen für die Ewigkeit gearbeitet. Der Bandit behaup- tete, er habe Franz die Stiefel geschenkt; dieser aber lachte ihn aus, und schalt ihn einen Ungläubigen. Schon mehrmals war ein Mann vorübergeschlichen und hatte Franz und seinen Kameraden genau be-
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