1857 -
Leipzig
: Wöller
- Autor: Winter, Georg Andreas
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Den ersten Anstoss zur Völkerwanderung gaben die Hunnen.
Sie waren ein wilder tartarischer Völkerstaimn, der seine ursprüng-
lichen Wohnsitze auf den Hochebenen Asiens hatte. Sie werden
von ihren Zeitgenossen als ein Reitervolk von grässlichem Ansehen
geschildert, das weder Religion, noch Gesetz kenne und nur einem
gemeinsamen Oberhaupte gehorche. Der Krieg war fast die einzige
Beschäftigung der Hunnen, sie siegten durch Schnelligkeit und
Kühnheit im Angriffe, ihre Raubsucht und Mordlust kannte keine
Grenzen. Diese wilden Korden wurden von den Chinesen, denen
sie lange genug beschwerlich gewesen waren, aus ihren alten Wohn-
sitzen vertrieben und kamen an die Ufer der Wolga und des Don
(370). Hier stiessen sie auf die Alanen, vereinigten sich mit
ihnen und drangen tiefer in das heutige europäische Russland ein.
In diesem weiten Gebiete stiessen sie auf die Gothen, die von
der Ostsee bis gegen die Donau hin verbreitet waren.
Die Gothen stammten aus Skandinavien und theilten sich in die
Ost-; und Westgothen; sie hatten eine geordnete Verfassung,
standen unter berühmten Königen und waren frühzeitig mit dem
Christenthume bekannt geworden; ja sie besassen seit dem 4. Jahr-
hunderte durch ihren Bischof Ulphilas sogar eine Bibelüber-
setzung, die als das älteste deutsche Schriftwerk in einigen Ab-
schnitten noch vorhanden ist. Schon seit zwei Jahrhunderten hatten
sie Einfälle in das römische Reich unternommen, sich einen Tribut
von den Römern und Wohnsitze an der Donau ertrotzt. Als nun
die Hunnen und Alanen heranströmten, warfen sich die Ostgothen
auf die Westgothen und drängten diese über die Donau. Die West-
gothen durchzogen nun die Provinzen des morgenländischen und
abendländischen römischen Reiches, eroberten Rom (409) und grün-
deten später auf römischem Gebiete das grosse w e s t g o t his ch e
Reich (412). -
Dieser Heereszug der Westgothen in das Innere des römischen
Reiches hatte noch andere Folgen. Um nämlich Italien und*Rom
zu schützen, wurden die römischen Legionen (Heere) aus England, vom
Rhein und von der Donau abberufen; dadurch wurden die west-
lichen und nördlichen Grenzen des abendländischen Kaiserreichs
entblösst und es drangen nun auch viele andere deutsche Völker,
die Franken, Burgunder, Vandalen u. a. m. vor und er-
oberten sich neue Wohnsitze.
Während der Hin- und Herzüge der germanischen Völker erhoben
sich von neuem die Hunnen unter ihrem Könige Attila, der sich
selbst die Geissei Gottes nannte; sie gewannen bald die Ober-
hoheit über die germanischen Völker, die sie erreichen konnten,
und drangen unaufhaltsam bis Gallien vor. Hier aber wurden sie
von dem römischen Feldherrn Aetiusin einer furchtbaren Schlacht,
besonders durch die Tapferkeit der mit den Römern verbundenen
deutschen Schaaren, besiegt und zum Rückzüge gezwungen (451).
Mit dem Tode Attila’s (454) löste sich das grosse Hunnenreich auf,
die Hunnen beschränkten sich auf ihre'wohnsitze in Ungarn, und
das Wogen und Finthen der Völker, in welchem das abendländische
Kaiserreich unterging (470), beruhigte sich endlich, ln den ein-
zelnen römischen Provinzen liessen sich nun allmälig folgende Völ-
ker nieder: In Portugal die Sueven, die früher ihre Wohnsitze
am Rhein und Main gehabt hatten — in Spanien und im südlichen
Frankreich die Westgothen — im nördlichen Frankreich die