1867 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Greef, Wilhelm, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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14. Das Schwalbennest.
Louise kam zur Mutter und sprach: „Mutter, komm, ich will dir
etwas sehr Hübsches zeigen!"
„Was willst du mir zeigen?" fragte die Mutter.
„O, komm nur, du sollst es sehen!" antwortete das Kind, „es
ist ganz allerliebst." — Die Mutter ging mit ihr.
Louise führte die Mutter an ein Fenster und sagte leise: „Blicke
einmal in die Höhe!" Die Mutter that es und sah oben am Dache
ein Schwalbennest, aus dessen Öffnung vier Schnäbelchen herausge-
streckt waren und vier Paar Äuglein herausblickten.
„Nun gib Acht!" rief das Kind.
Die Mutter gab Acht und sah eine Schwalbe eiligst herbeifliegen,
die trug eine Fliege im Schnabel und legte sie schnell in das geöff-
nete Schnäbelchen des einen jungen Vogels, flog hinweg und kam wie-
der und nochmals und abermals. Und jedesmal brachte sie eine Fliege
mit und legte sie der Reihe nach in einen der vier offenen Schnäbel.
Nun waren alle vier gefüllt. Die Jungen zwitscherten fröhlich,
und die alte Schwalbe flog hoch in die Luft und zwitscherte hell und
lustig darein.
„Ist dies nicht niedlich zu sehen?" fragte das Kind.
„Ganz gewiß," sagte die Mutter, „es gefällt mir sehr. Es kommt
mir gerade so vor, als wenn ihr, du und die Brüder und Schwestern,
dos Morgens oder Mittags um den Tisch her sitzet."
„Und du gibst uns Speise, liebe Mutter!" fiel Louise ein.
„Ja," fuhr die Mutter fort, „und ihr seid dann auch so fröh-
lich dabei, wie die Schwalben hier!"
„Es ist doch recht gut," sagte Louise, „daß die lieben Schwalben
eine so gute Mutter haben, die ihnen Würmchen bringt, daß sie nicht
verhungern, und die ihnen ein kleines Häuschen gebaut hat, in dem
sie wohnen. Wer hat ihnen gesagt, daß sie das thun sollen?"
„Der liebe Gott hat es ihnen in ihr kleines Herz gegeben," sprach
die Mutter. „Der liebe Gott will, daß es allen seinen Geschöpfen
wobl ergehe, dem Menschen und der Schwalbe und jedem Thierchen."
„Das ist doch ein lieber, gütiger Gott!" sagte Louise.
13. Der Vogel am Fenster.
An das Fenster klopft es: pick! pick! Macht mir doch auf einen
Augenblick! Dick fällt der Schnee, der Wind geht kalt, habe kein
Futter, erfriere bald. Liebe Leute, o laßt mich ein, will auch immer
recht artig sein!
Sie ließen ihn ein in seiner Noth; er suchte sich manches Krüm-
chen Brod, blieb fröhlich manche Woche da. Doch als die Sonne
durchs Fenster sah, da saß er immer so traurig dort; sie machten
ihm auf: husch war er fort!