1863 -
Leipzig
: Amelang
- Hrsg.: ,, Fix, Wilhelm
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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trefflichen und erfahrenen Bischof Ambrosius und bat: „Rede
mit meinem Sohne, ob du ihn bekehrest von dem Irrthum sei-
ner Wege!" Aber der Bischof sagte: „Nicht also, denn er ist
jetzt noch aufgeblasen und brüstet sich seiner Weisheit. Er möchte
sein Ohr verstopfen gegen meine Rede. Aber laß ihn, und fahre
du fort, für ihn zu bitten zu dem Herrn, der wird ihm einen
andern Sinn geben zu seiner Zeit." Aber deß konnte sich die
Mutter noch nicht getrosten, und sie bat zum andern und zum
dritten Mal: „Ach Herr, erhöre die Stimme deiner Magd und
sprich mit meinem Sohne!" Und sie weinte viel. Da entsetzte
sich der Bischof über des Weibes Liebe und rief: „Gehe hinweg
und halte also an; denn es ist unmöglich, daß ein solcher Thränen-
sohn sollte verloren gehen können!" Und der frommen Mutter
dünkten die Worte, gleich als wären sie vom Himmel geredet.
Und über eine lange Zeit, da geschah, wie sie geglaubt und ge-
betet hatte, und sie konnte mit Freuden sprechen: „Dieser mein
Sohn war todt, und ist wieder lebendig geworden; er war ver-
loren, und ist wiedergefunden!" Noch mehr; ihr Sohn ward einer
der treuesten Diener und Lehrer der Kirche Christi. Im Jahre
430 nach Christi Geburt ist Augustinus gestorben.
Ihr Kinder, also liebt, sorgt und weint ein Mutterherz!
Es ist aber nicht sein, der Mutter solche Thränen auszupressen.
Wollt ihr vor solcher Sünde behütet bleiben, so höret auf die
Stimme eures Gottes und folget ihm. Er liebt euch noch mehr,
als Vater und Mutter; denn also spricht der Herr: „Laim auch
ein Weib ihres Liudleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme
über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie dessclbigen vergäße,
so will ich doch dein nicht vergessen!" Äes. 49, 15.
75. Winfried.
Als der fromme Winfried, vom Geiste getrieben, ausziehen
wollte aus seinem Vaterlande und seiner Verwandtschaft, das
Evangelium zu verkündigen unter den heidnischen Deutschen, wehr-
ten ihm seine Freunde und Verwandten und sprachen: „Bleibe in
England, deiner Heimath, da magst du auch des Guten genug
schaffen, wenn du nur dieses begehrest."
Winfried aber antwortete und sprach: „Höret zuvor eine
Geschichte. Als vor etlichen Jahren des Krieges Wuth unser Land
verheert hatte, zog ein reicher Mann durch die verwüstete Gegend.
Da traf er auf dem Gebirge ein Häuflein Kinder nackend und
bloß, und sie nagten an den Wurzeln, die sie aus der Erde wühl-
ten. Da jammerten ihn die Kinder, und er fragte sie: Wo ist