1829 -
Neustadt a.d.O.
: Wagner
- Autor: Schwabe, Johann Friedrich Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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denn es hat ein sinnliches Begehrungsvemiögen. Doch Hai
auch in dieser Rücksicht der Mensch große Vorzüge, indem
sein ausgebildetes sinnliches Gefühl ihn auch besser unter-
scheiden lehrt, was angenehm oder unangenehm ist, und
seine Begehrungen daher inniger, ordentlicher und edler
macht. Deßwegen sind die menschlichen Begehrungen nicht
nur anständiger, sondern auch genußreicher und sicherer.
Die feineren Genüsse sind dem Menschen eigenthümlich.
22. Die Leidenschaften.
Aedes Begehren oder Verwerfen entspringt aus der undeut-
lichen Vorstellung (Gefühl) eines Gutes oder eines Uebels
wird dieses Gefühl so stark, daß cs alle andere, die ihm
entgegen oder doch von anderer Art sind, zurückdrängt und
unterdrückt, so entsteht eine Leidenschaft oder ein Af-
fcct. Leidenschaften sind demnach übermäßige, heftige Be-
gierden. Sie sind nothwendig von zweierlei Art: reizen-
de wenn Etwas heftig gewünscht; niederschlagende,
wenn Etwas heftig verabscheuet oder verworfen wird.
Die reizenden Leidenschaften entspringen also
allemal aus der dunkeln Vorstellung eines Gute-, das
wir entweder schon besitzen oder uns ersehnen. Aus
der Vorstellung eines gegenwärtigen Gutes entspringt die
Freude, welche im höchsten Grade das Entzücken ge-
nannt wird. Man kann sich freuen über etwas Gutes, da-
uns widerfahren ist, oder über etwas Böses, das Andern
widerfahren ist. Das Letztere ist die häßliche Schaden-
sreupe, die das Unglück Anderer alö Gewinn für sich be-
trachtet.
Antonie hatte von ihrem Pathen ein Loos zum Ge-
schenke erhalten, auf welches in einer Ausspielung ein ,ehr
schönes, nützliches Buch gewonnen wurde. Da Antonie das
Buch bekam, konnte sie nicht satt werden, es anzusehen, sie
hörte nicht auf, darinne zu lesen, vergaß' Essen und Schla-
fen darüber und nahm es endlich gar mit ins Bette. Löas
empfand also Antonie über das Buch? Am folgenden Ta-
ge nahm Antonie das Buch, um es auch andern Kin>
dern zu zeigen, mit sich auf die Gasse- blätterte es auf,
zeigte die schönen Bilder, las die Erzählungen vor und