1829 -
Neustadt a.d.O.
: Wagner
- Autor: Schwabe, Johann Friedrich Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
len des Bösen vergolten wird, heißt Strafe. Eine Vor-
schrift die uns sagt, was wir sollen, oder was gut ist,
heißt ein Gesetz; die Übertretung eines Gesetzes heißt
Sünde.
Moritz war der Sohn sehr guter Aeltern, die allen
Fleiß auf feine Erziehung wendeten. Schon sein Körper wur-
de auf alle Weise gepflegt, gut genährt, gut bekleidet und
sorgfältig vor allen Gefahren behütet; dadurch wurde Moritz
gesund und stark und seine Sinneswerkzeuge versagten
ihm nie ihre Dienste, er konnte gut sehen, Horen, schme-
cken, riechen, fühlen. Aber sorgfältiger noch pflegten
die Aeltem seine Seelenkrafte, mit welchen er reichlich
ausgestattet worden war; er hatte ein lebhaftes Gefühl,
konnte trefflich merken, feine Begehrungen waren von
keinen wilden Leidenschaften geleitet, und sein Tem-
perament blieb, bei aller Lebendigkeit, doch in den Schran-
ken der Mäßigung. Doch am Herrlichsten entwickelten sich
seine Geisteskräfte, jedes Schöne und Gute und dessen
Gegentheil empfand er tief und innig, doch nicht so, daß
er nicht besonnen über Ursachen und Wirkungen, über Zweck
und Mittel hatte zu denken vermocht, vielmehr wußte
er seine Aufmerksamkeit so auf die Dinge zu lenken, daß er
jede Aehnlichl'eit witzig aufzufinden, jede Unähnlichkeit
scharfsinnig zu unterscheiden verstand, überhaupt das
Wesen jeder Sache leicht begriff, beurtheilte und Fol-
gerungen daraus zog. Damit verband er aber auch
endlich den beßten Willen für alles Gute; er war höchst
tugendhaft, was sein Gewissen; was göttliche und mensch-
liche Gesetze ihm vorschrieben, daß war fein Trachten
und Streben. Ihm wurde ein hoher Lohn; Gottes Segen,
die Liebe der Menschen, der innere Friede! —. Er war
ein glücklicher und guter Mensch. Sybille war von allem
dem das Gegentheil. Verkrüppelt am Körper war sie schon
unfähig ihre Sinnen so zu gebrauchen, wie andere ge-
sunde Menschen. Daher war auch ihr Gefühl sehr abge-
stumpft, ihr Gedächtniß schwach, und wilde Begierden
eines trübsinnigen Temperaments bewegten sie wie ein'
steter Sturln. Höherer Empfindung, und der daraus ent-
springenden rein-menschlichen Genüsse, entbehrte sie ganz,
und ihr Verstand ließ sie auf Thorheiten und Aberglau-