1839 -
Karlsruhe
: Groos
- Autor: Stern, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Baden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde, Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Nachbarländer des Großherzogthums Baden. 287
Halme nieder. Jeder Laut ist im Stande, im Frühjahr ihren Nicdersturz zu
bewirken. Man nimmt daher in solchen Gegendenden Pferden die Schellen
ab, schießt vorher Pistolen los, um die zum Ablösen geneigten Massen zu
rechter Zeit zum Sturze zu bringen. — Zum Schutze für die Reisenden sind
auf der großen Simplonstraße 9 Zufluchtshäuser erbaut, und auf drei großen
Alpenstraßen sind zur Rettung verunglückter Wanderer Herbergen oder Hos«
pitien.angelegt.
Das Hospitium auf dem St. Gotthard wird von 2 Kapuzinermönchen
bewohnt; seitdem die neue Straße gebaut ist, besiudet sich ein Wirtshaus
aus der Höhe. Das auf dem Simplon wird von 2 Mönchen des St. Bern-
hards, und das Hospitium auf dem St. Bernhard, an einem kleinen See,
(7668^ hoch) ungefähr von 10 Mönchen bewohnt, welche an 600 Menschen
beherbergen können. In den gefährlichen Monaten gehen dieselben mit den
Klofterknechten und mit abgerichteten Hunden aus, um Verunglückte aufzu-
spüren und zu retten. Einer dieser Hunde, Barry genannt, rettete mehr als
70 Menschen vom Tode, und ward ein Opfer seiner Bcrufstrcnc, indem er
von dem miskannt wurde, den er retten wollte. Die aufgefundenen Leich-
name, deren Rettung nicht möglich ist, werden in einer Todtenkapelle auf-
bewahrt, wo man sie in ein leinenes Tuch wickelt, sic aufrecht hinsetzt, so
daß einer den Kopf an die Brust des andern legt. Wegen der scharfen und
kalten Luft verwesen sie nur sehr langsam. Oft haben nach mehreren Jahren
Reisende ihre verunglückten Bekannten erkannt. Bei der Todtenkapelle ist
eine Art Kirchhof, auf den die Gebeine gelegt werden, wenn sich dieselben
allzusehr im Gewölbe anhäufen; denn man kann dieselben nicht begraben,
weil rings um das Hospitz Nichts als nakte Felsen sind. An 9000 Menschen
gehen jährlich über den Bernhard, welche im Hospitz Erquickung finden.
Auf all den hohen Alpenstraßen sind hohe Stangen errichtet, welche den
Reisenden bei Schneeverschüttungen den Weg bezeichnen.
8. Vom Spätling bis zum Frühjahr macht sich ein kalter und
oft furchtbar stürmender Nordostwind bemerkbar, Bise genannt,
vorzüglich am Fuße des Jura. Er weht gewöhnlich von 3 zu 3
Tagen. Im Alpgebirge, vorzüglich in den Glarneralpen, weht
ein warmer Südwind, welcher Seewind oder Fön genannt wird.
Wegen seiner Heftigkeit müssen alle Feuerherde gelöscht werden,
wenn er zu wehen beginnt. Er ist auch auf dem Bodensee wahr-
nehmbar. In Italien heißt er Sirocco.
9. Außer den fahrbaren Straßen gehen über die Alpen noch
viele Saumwege. Dieselben werden von Pferden überschritten,
welche man Sa um rosse nennt. Auf einem hölzernen zu beiden
Seiten eingerichteten Sattel tragen dieselben ihre Last. Die Thiere gehen
hinter einander; jedes hat einen Maulkorb, der es am Fressen hindert; alle
sind mit helltönendcn Schellen versehen, wodurch sie auf der Bahn erhalten