1862 -
Hannover
: Meyer
- Autor: Flügge, Heinrich Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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machte sie an ihrer Schwiegermutter. Ost wurde sie durch schaden-
frohe Geschwätzigkeit der Dienstboten bei ihr verleumdet; aber durch
unausgesetzte Freundlichkeit, Sanstmuth und Dienstsertigkeit gewann
sie das Herz der Schwiegermutter und ihr volles Vertrauen. Bei ihrem
Manne ging es aber langsam; 16 Jahre hatte sie um seine Seele gebe-
tet und geduldet. Erst gewann sie seine Hochachtung; daun zwang ihn
der heilige Geist, daher sein treues, frommes Weib um Verzeihung
bitten mußte, wenn er gegen sie getobt hatte. Ihre stete Klarheit, stille
Sanstmuth und christliche Gelassenheit waren ihm ein Spiegel, in wel-
chem er täglich sein wüstes, ruheloses, heidnisches Wesen schaute. Er
urtheilte immer günstiger über das Christenthum, und endlich ließ er
sich unter die Zahl der christlichen Katechumenen aufnehmen. Nun be-
währte sich auch an ihm das Evangelium als eine Kraft Gottes, selig
zu machen alle, die daran glauben. Welche Freude für Monika! Doch
sie währte nicht lange; denn bald nachdem ihr Gemahl die heil. Taufe
empfangen, rief ihn der Herr zu sich.
2. Monika hatte einen Sohn, Aureliud Augustinus, einen
hochbegabten Jüngling, der aber, einzig und allem getrieben von
Ehrgeiz und der Sucht zu glänzen, von Bekehrung seines Herzens
zu Gott nichts wußte. Im Umgänge mit aufgeblasenen und zucht-
losen Menschen sank er immer tiefer ins Verderben. Monika konnte
nur weinen, warnm und beten. Und als ihr der Kummer um den
verlornen Sohn das Herz brechen wollte, schüttete sie es vor dem
Bischof ihrer Vaterstadt aus. Der sprach das tröstliche Wort: „Weib,
gehe nur hin und fahre fort zu beten. So wahr du lebst, es ist ja
nicht möglich, daß ein Sohn so vieler Thränen verloren gehe!"
Und er hatte wahr gesprochen. Augustinus hatte sich heimlich von sei-
ner bekümmerten Mutter wider ihren Willen fortgerissen, war nach
Rom gegangen, hatte dort vergebens mehr Ruhm und Einkünfte ge-
sucht und sich endlich nach Mailand gewendet. Da erweckte die Pre-
digt des Bischofs Ambrosius in ihm einen Hunger nach der rech-
ten Seelenspeise, der untrüglichen, göttlichen Wahrheit; seine Seele
war so ruhe- und friedeleer, bis sie Ruhe fand in dem Herrn. Er sah,
wie andere dem Genusse des Reichthums entsagten um Gottes willen,
erfuhr, wie gelehrte Männer seinesgleichen, Ungelehrte von hohem
Stande demüthige Christen wurden: da konnte er es nicht länger
aushalten. „Was ist das? Wie geschieht uns?" rief er seinem
Freunde zu, „Ungelehrte reißen das Himmelreich an sich, und wir
mit unserm herzlosen Wissen bleiben dahinten und wälzen uns in
der Sünde?" Glühend ging er in das Gärtchen am Hause, wei-
nend warf er sich unter einem Feigenbäume nieder und rang mit
Gott im heißen Gebete: „Ach, Herr, warum nicht in dieser Stunde
das Ende meiner Schande?" Da hörte er vom Nachbarhause her
eine singende Stimme: „Nimm und lies!" Er entfärbte sich. Eiligst
schlägt er die Schrift auf und liefet Röm. 13, 13. 14. Mehr be-
durfte es nicht. Der Herr hatte sich dies sein Kind erobert. Nun
begann ein neues Leben, und ein Jahr darauf wurde Augustin vom
Bischof Ambrosius getauft. Monika aber, die ihm nach Italien