1815 -
Halle
: Kümmel
- Autor: Zerrenner, Carl Christoph Gottlieb
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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I. Erzählungen
22. Unreinlichkeit und Reinlichkeit, oder: die. ver-
schiedenen Gaftwirche.
Frau Leonhard machte mit ihren Kindern eine Reife
zu ihrem Bruder, der sechs Meilen von ihr wohnte. Da
sie einige Stunden gefahren waren, so stiegen sie in einem
Wirthshause auf ein halb Stündchen aus, um ein wenig zu
frühstücken. Schon der Eintritt in dieses Haus war ihnen
widrig, so säuisch und unreinlich war es; und als sie in die
Stube traten, da verging allen die Lust zu frühstücken.
Ee war ein Geruch in der Stube, so dumpfig und
widrig, wie bei einer Pfütze, in welcher das Wasser faul
geworden ist; die Fenster so voll Oeldampf, daß man
nicht im Stande war, durch d«e Glasscheiben zu sehen;
die Wände schwarz und rauchig. An keinen Tisch und
Stuhl konnte man greifen, ohne sich zu beschmieren,
und an den Messern und Gabeln, die auf dem Trsche
lagen, konnte man noch das Brot und die Butter von
gestern sehen. Die Gläser, welche daneben standen. hat-
ten alle Spuren an sich, daß sie seit drei Tagen nicht
waren ausgespäht worden, und wie die Sachen in der
Stube aussahen, so sahen der Wirth und seine Kinder
auch aus. Zeder hatte eine schmierige Pudelmütze auf
dem Kopfe; an ihren Kleidern mochten sie seit langer
Zeit die fettigen Finger abgewischt haben: so glänzten sie,
und ihre Hemden und ihr Gesicht und Hände — man
konnte sie nicht ansehen ohne Ekel.
Mutter, wir haben keine Lust zu essen, sagten die
Kinder der Frau Leonhard erlaube uns wieder vor die
Thür zu gehen. Die Mutter erlaubte es ihnen, und ging
selbst mit. „ Da ist ja nicht drinnen auszuhalten, sagte
sie, alle mein Appetit ist weg/' — und die Kinder ver-
sicherten, daß es ihnen eben so gehe. Sie warteten drau-
ßen, bis der Kutscher der nur ein Glas Branntwein
trank, wieder kam, welches auch nicht lange dauerte. —
Nun, sagte der Kutscher, das Glas Schnaps hätte ich
mit Mühe und Noth hinuntergebracht! Es ist doch un,
ausstehlich, was das für eine Unreinlichkeit ist; aber der
Wirth hier wird auch alle Tage ärmer, denn kern Mensch
tritt mehr bei ihm einkehrem