1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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3. Die Sternlein schön
am Himmel gehn;
die Glock’ schlägt zwei,
sie geh’n hinunter nach der Reih’.
4. Der Wind , der weht,
der Hahn, der kräht,
die Glock’ schlägt drei,
der Fuhrmann hebt sich von der
Streu.
5. Der Gaul, der scharrt,
die Stallthür knarrt.
Die Glock’ schlägt vier,
der Kutscher siebt den Hafer
schier.
6. Die Schwalbe lacht,
die Sonn’ erwacht.
Die Glock’ schlägt fün f;
der Wandrer macht sich auf die
Strümps.
7. Das Huhn gagackt,
die Ente quakt.
Die Glock’ schlägt sechs;
steh auf, steh auf, du faule Hex’!
8. Zum Bäcker lauf,
ein Semmlein kauf!
Die Glock’ schlägt sieben;
die Milch thu’ an das Feuer
schieben!
9. Thu’ Butter ’nein
und Semmel fein!
Die Glock’ schlägt acht;
geschwind dem Kind’ die Supp’ gebracht!
99. Wer ist denn mein Nächster?
Ein Kesselflicker in der Gegend von Halberstadt ging einst bei strenger
Kälte mit seinem Geräthe über Feld und fand an der Landstraße einen
Juden ganz erfroren. Neben ihm stand ein Körbchen mit Tüchern und
Bändern, mit denen er gehandelt hatte. Ein liebloser, unredlicher Mensch
hätte vielleicht die Waaren mit sich genommen und den Juden liegen lassen;
aber dem ehrlichen Kesselflicker blutete das Herz bei diesem Anblick. „Viel-
leicht", sprach er bei sich selbst, „lebt der arme Jude noch und kann sich
wieder erholen; ist er gleich ein Jude, so ist er doch ein Mensch, ist mein
Nächster, und ich muß ihm helfen." — So dachte er, verscharrte sogleich
seine und des Juden Sachen in den Schnee, nahm den Juden auf den
Rücken, trug ihn in das nächste Dorf und sorgte nun dafür, daß alle
Mittel angewendet wurden, ihn wieder zum Leben zu bringen. Nichts
glich seiner Freude, als er endlich sah, daß der Jude die Augen wieder
aufschlug und in's Leben zurückkam. „Gottlob!" rief er aus, „so war
doch meine Hülfe nicht vergebens!" — Hierauf gab er dem Wirth etwas
Geld zur Verpflegung des Juden, lief dann wieder auf das Feld und
brachte seine und des Juden Sachen aus dem Schnee herbei. Als er
zurückkam, fiel ihm der Jude voll dankbarer Rührung um den Hals, dankte
ihm herzlich für seine Errettung und bot ihm seinen ganzen Korb mit den
Waaren zum Geschenke an; aber der Kesselflicker nahm gar nichts. Ver-
gebens drang der Jude mit weinenden Augen in ihn, doch nur eine kleine
Erkenntlichkeit anzunehmen; sein Retter ließ ihn gar nicht zum Worte