1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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gebäudc und Gärten. Und am Ende der Straße steht Francke's Stand-
bild; in Priesterkleidung segnet er zwei Waisenkinder. Ja, das alles ist
entstanden aus Francke's gesegneter Glaubensarbeit. In seiner Wohnung
hing eine Armenbüchse mit 1. Joh. 3, 17 und 2. Korinth. 9, 7. Einst
legte eine fromme Frau 7 Gulden auf einmal hinein. „Das ist ein ehrlich
Kapital," sprach Francke, „davon muß man was Rechts stiften; ich will
eine Armenschule damit anfangen." Und diese Armenschule war der Grund-
stein zu den großen Francke'schen Stiftungen in Halle. Wie war aber
solch großes Werk dem armen Pfarrer möglich? Nun, der Herr half ja
mitbauen, indem er die Herzen seiner Gläubigen rührte, daß sie reiche Ga-
den zum frommen Werke spendeten. Francke sagt selbst: „Zum Baue des
Waisenhauses mußte ich nun von Woche zu Woche von der guten Hand
Gottes erwarten, was sie darreichen würde. Einmal war äußerster Geld-
mangel. Da ich bei schönem Wetter ausgegangen war," erzählt Francke,
„und den klaren Himmel betrachtete, ward mein Herz sehr im Glauben
gestärkt, also, daß ich bei mir selbst gedachte: wie herrlich ist es doch, wenn
man nichts hat und sich auf nichts verlassen kann, kennt aber den lebendigen
Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, und setzet auf ihn allein sein
Vertrauen. Kaum war ich nach Hause zurückgekehrt, so kommt der Bau-
aufseher und verlangt Geld für die Arbeitsleute. ,Jst was gekommen/
fragte er. Ich antwortete: ,Nein, aber ich habe Glauben an Gott/ Kaum
hatte ich das Wort ausgeredet, so ließ sich ein Student bei mir melden,
welcher 30 Thaler von jemand, den er nicht nennen wollte, brachte. Da
ging ich wieder in die Stube und fragte den andern, wie viel er diesmal
zur Bezahlung der Bauleute bedürfte? Er antwortete: , Dreißig Thaler/
Ich sagte: ,Hier sind sie / fragte dabei, ob er mehr brauchte? Er sagte:
,Nein/ was denn uns beide sehr stärkte, indem wir so gar augenscheinlich
die Hand Gottes erkannten, die es in dem Augenblicke gab, da es von
Nöthen war." So wunderbar und gnädig half der Herr unzählige Mal.
Das Haus wurde fertig, obgleich ein ungläubiger Mensch gesagt hatte:
„Wenn die Mauer in die Höhe kommt, will ich mich dran hängenlassen!"
Wie bei der Erbauung, so ging es auch bei der Erhaltung her: „Von
Woche zu Woche, vonmouat zu Monat," sagt Francke, „hat mir der Herr
zugebröckelt, wie man den kleinen Küchlein das Brot zubröckelt, was die
Nothdurft erfordert." Immerhin ging's nicht selten durch großes Ge-
dränge, und doch konnte Francke auf die Frage: „Habt ihr auch je
Mangel gehabt?" in Wahrheit mit den Jüngern des Herrn antworten:
„Herr, nie keinen!" Zur Zeit seines Todes 1727 waren im Waisenhause
143 Waisenkinder unter 10 Aufsehern, 2207 Kinder und Jünglinge, die
in den verschiedenen Schulen von 175 Lehrern meist unentgeltlich unter-
richt wurden. 150 Schüler und 225 arme Studenten wurden aus der
Kasse des Waisenhauses täglich gespeist! — Die Francke'schen Stiftungen
übten einen gesegneten Einfluß auf Verbesserung des Schul- und
Erziehungswesens bei Arm und Reich in der Nähe und Ferne aus.