1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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sehe!" — Der König sagte : „Dafür ist Rath. Ihr dürft nur Acht
geben, welcher den Hut allein auf dem Kopfe behält, wenn die
andern ehrerbietig ihr Haupt entblöszen.“ — Also ritten sie mit
einander in Paris ein, und zwar das Bäuerlein hübsch auf der rechten
Seite des Königs. Denn es kann nie fehlen: Was die liebe Einfalt
Ungeschicktes thun kann, sei es gute Meinung oder Zufall, das thut
sie. Aber ein grader und unverkünstelter Bauersmann, was er thut
und sagt, das thut und sagt er mit ganzer Seele, und sieht nicht um
sich, was geschieht, wenn’s ihn nicht angeht. Also gab auch der
unsrige dem König auf seine Fragen nach dem Landbau, nach
seinen Kindern, und ob er auch alle Sonntage ein Huhn im Topfe
habe, gesprächige Antwort und merkte lange nichts. Endlich aber,
als er doch sah, wie sich alle Fenster öffneten, und alle Straszen
mit Leuten sich füllten, und alles rechts und links auswich und ehr-
erbietig das Haupt entblöszt hatte, ging ihm ein Licht auf. „Herr!“
sagte er und schaute seinen unbekannten Begleiter mit Bedenklich-
keit und Zweifel an, „entweder seid ihr der König oder ich bin’s !"
Da lächelte der König und sagte: „Ich bin’s. Wenn ihr euer Rösz-
lein eingestellt und eure Geschäfte besorgt habt,“ sagte er, „so kommt
zu mir in mein Schlosz. Ich will euch alsdann mit einem Mittags -
süpplein aufwarten und euch auch meinen Ludwig zeigen.“
Von dieser Geschichte her rührt das Sprichwort, wenn jemand
in einer Gesellschaft aus Vergessenheit oder Unverstand den Hut
allein auf dem Kopfe behält, dasz man ihn fragt: „Seid ihr der
König oder der Bauer?“
172. Der Wilde.
Ein Kanadier, der noch Europens
übertünchte Höflichkeit nicht kannte
und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben,
von Cultur noch frei, im Busen fühlte,
brachte, was er mit des Bogens Sehne
fern in Quebeck's übereisten Wäldern
auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe.
Als er ohne schlaue Redekünste,
so wie man ihm bot, die Felsenvögel
um ein Kleines hingegeben hatte,
eilt' er froh mit dem geringen Lohne
heim zu seinen tiefverdeckten Horden,
in die Arme seiner braunen Gattin.
Aber ferne noch von seiner Hütte
überfiel ihn unter freiem Himmel
schnell der schrecklichste der Donner-
stürme.
Aus dem langen, rabenschwarzen Haare
troff der Guß herab auf seinen Gürtel,
und das grobe Haartuch seines Kleides
klebte rund an seinem hagern Leibe.
Schaurig zitternd unter kaltem Regen
eilete der gute wack're Wilde
in ein Haus, das er von fern erblickte.
„Herr, ach laßt mich, bis der Sturm sich
lege,"
bat er mit der herzlichsten Geberde
den gesittet feinen Eigenthümer,
„Obdach hier in Eurem Hause finden!"—
„Willst du, mißgestaltet' Ungeheuer,"
schrie ergrimmt der Pflanzer ihm ent-
gegen,
„willst du Diebsgesicht mir aus dem
Hause!"
und ergriff den schweren Stock im Winkel.