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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 150

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
150 vor, die sie als Königin dieses Landes zu erwarten habe; aber mit Hoheit er- widerte sie: „Ihrwiszt, dasz euer Vater Ludwig meinen Vater erschlug; wie könnte denn zwischen uns Freundschaft sein?“ Als endlich alle seine Ueber- redungskunst sich unnütz erwies, wandte er sich an seine Schwester Ortrun und bat sie, ihre Freundin zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Freudig erwiderte jene : „0 wie gern will ich ihr dienen! mein Haupt will ich ihr neigen, dasz sie wo möglich ihres Leides vergesse.“ So ward Gudrun zu Ortrun geführt und wie- der fürstlich gehalten, aber auch die holde Güte des einzigen Wesens im Nor- mannenlande, dem sie herzlich zugethan war, vermochte nicht, sie wankend zu machen; ihr Schluszwort auf alle Mahnungen der Freundin blieb immer: „Einem König bin ich längst mit festen Eiden zum ehelichen Weibe verlobt und zu- gesagt; ehe er gestorben ist, werd' ich nie einem anderen angehören.“ Da also auch der Aufenthalt bei Ortrun, obgleich er viele Wochen dauerte, keine Aen- derung in ihren Entschlüssen hervorbrachte, gab endlich Hartmut unwillig und verdrossen seine Versuche, sie durch Güte zu bewegen, auf und überliesz sie wieder seiner Mutter. Da begannen denn die Mißhandlungen wieder schlimmer, als zuvor. Gudrun muszte am Meeresstrande im rauhesten Wetter Gerlindens Kleider waschen; aber auch diese äuszerste Demüthigung ertrug sie, um ihrem Herwig treu zu bleiben. Freilich erweckte die Verzweiflung in ihr bisweilen harten Trotz, sodasz sie sprach: „Ich soll einmal nicht glücklich sein, so wollte ich denn, ihr behandeltet mich noch schlechter;“ aber einen Trost hatte sie doch an der treuen Hildburg', die durch vieles Bitten die Erlaubnisz erlangte, täglich Gudrun an den Meeresstrand zu begleiten. 6. Wie die Friesen ausführen, um Gudrun zu befreien. Wenn die Noth am'gröszten, ist die Hülfe am nächsten. Im Friesenlande wuchs unterdessen ein neues Geschlecht heran, und Königin Hilde, der die Sorgen das Haar gebleicht hatten, sann unablässig auf den Rache- und Befreiungszug. Endlich, als das vierzehnte Jahr seit Gudruns Entführung herankam, sandte Hilde Boten an Herwig und ihren Sohn Ortewin und alle ihre Dienstmannen, vor allen an Wate, Ernte und Horand, und berief ein gewaltiges Heer, das mit einer wohlgerüste’ten Flotte gleich nach Anfang des Jahres die Fahrt nach Nor- mandie antrat. Aber die kampfmuthigen Krieger hatten mit vielen Schwierig- keiten zu ringen, ehe sie jenes Land erreichten. Zuerst wurden sie von widrigen Winden hoch nach Norden in das finstere und unbewegliche Lebermeer ver- schlagen , wo der Magnetberg sie für immer festzuhalten drohte; endlich nach langen Tagen verzog sich der Nebel, und ein günstiger Luftzug trieb sie wieder in klares und flüssiges Wasser. Aber da erhub sich ein schwerer Sturm, der sie endlich nach vielen Gefahren an eine unbekannte Küste warf; hier muszten sie, um sich von den überstandenen Mühseligkeiten zu erholen, sich eine Rast von einem Tage gönnen. Als aber einer der Krieger einen riesigen Baum er- kletterte und in weiter Ferne Ludwigs Burg erkannte, da liesz es Ortewin und Herwig nicht länger Ruhe: sie erboten sich, während das übrige Heer noch rastete, in Fischerkleidung in die nahe Normandie zu gehen, um zu erfahren, ob Gudrun und die mit ihr Entführten noch am Leben seien. Dringend rieth selbst Wate von dem verwegenen Unternehmen ab, aber in Ortewin und Herwig war die Sehnsucht zu mächtig, und gerade die Gefahr lockte die Helden. 7. Wie Gudrun am Strande wusch. Der armen Gudrun war ihr Loos inzwischen nicht erleichtert worden. Aber als sie eines Tages, um den Eintritt der Frühlingszeit, wieder mit Hildburg am Strande wusch, siehe, da kam ein Schwan geschwommen, und der begann mit menschlicher Stimme zu reden und gab Gudrun auf ihre Fragen Auskunft über Hilde und alle Helden in der Heimat; zugleich verhiesz er ihr für den folgenden Morgen das Eintreffen zweier Boten aus dem Friesenlande. Das war die erste Freude seit langer Zeit, und fröhlich nahmen die beiden Jungfrauen
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