1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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zum ersten Male die Hofdienste als Truchseß, Mundschenk. Marschall und
Kämmerer. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Erzämter am
kaiserlichen Hofe, welche bei der Krönung der folgenden Kaiser ein Vorrecht
der Wahl- oder Kurfürsten blieben.
Um sich mehr den Pflichten seines Herrschcramtes zu widmen und
besser für das ganze Deutschland zu sorgen, übertrug Otto sein Herzogthum
Sachsen dem tapferen Hermann Billung, in dessen Familie es lange
erblich blieb. Er selbst hatte nicht nur im Inneren seines Reiches ernste
Kämpfe mit den großen Fürsten zu bestehen, um sie in Gehorsam zu er-
halten, sondern auch nach außen mußte er fortwährend gegen die Slaven,
Dänen und Ungarn zu Felde liegen. Die ersteren machte er bis an die
Oder tributpflichtig; die Dänen aber züchtigte er durch einen Kriegszug,
der hoch bis in Jütland hinaufging, zwang ihren König Harald zur An-
nahme des Christenthums und stellte die von seinem Vater gegründete
Markgrafschaft Schleswig wieder her. Den schwersten Kampf jedoch hatte
er gegen die Ungarn zu bestehen.
Im Jahre 955 fielen diese von neuem in Deutschland ein. Sie
drohten übermüthig, daß ihre Rosse die deutschen Ströme austrinken sollten.
Zahlloses Volk (es wird erzählt, daß ihrer 100,000 gewesen) tobte gegen
Baiern heran und legte sich vor Augsburg. Da eilte Kaiser Otto mit
seinem Heere der Stadt zu Hülfe. Die Ungarn mochten nun nicht länger
vor Augsburg bleiben, sondern zogen bis an den Lech den Deutschen ent-
gegen. Der Kaiser theilte sein Heer in acht Haufen. Drei davon waren
lauter Baiern; die führte Graf Eberhard an. Den vierten Haufen bilde-
ten die Franken ; an ihrer Spitze stand Herzog Konrad. Der fünfte Haufe
bestand aus den edelsten Kampfhelden des ganzen Heeres; der Kaiser selbst
war ihr Vorfechter. Den sechsten und siebenten Haufen bildeten die Schwa-
den mit ihrem Herzog Burkhard, und den achten die Böhmen. — Alle diese
Völker schwuren sich unter einander Treue und Hülfe, wie leibliche Brüder.
Das war am 9. August 955. Als nun die Ungarn das deutsche Heer in
Schlachtordnung erblickten, schwammen sie voll Ungeduld auf ihren Rossen
durch den Lech an's linke Ufer; dort umritten sie die Schlachtordnung der
Deutschen und warfen sich plötzlich mit wildem Geheul von hinten auf die
Böhmen. Diese hielten den Pseilrezen nicht lange aus und flohen. Da
brachen die Sieger schnell auch auf die Schwaben los, welche sich mannhaft
wehrten, aber endlich dennoch weichen mußten. Als der Kaiser diese große
Gefahr sah, winkte er dem Herzog Konrad von Franken. Wie ein gereizter
Löwe sprang dieser den Ungarn entgegen, warf sie zurück, befreite alle
Deutschen, welche sie gefangen hatten, und brachte sie dem Kaiser. Am
andern Morgen (es war der Festtag des heiligen Laurentius) betete der
Kaiser inbrünstig zu Gott und gelobte, wenn Christus ihm die Feinde des
Glaubens und des Vaterlandes überwinden helfe, dem heiligen Laurentius
ein Bisthum in Merseburg zu stiften. Dann.las der Bischof Ulrich dem
Heere die Messe und reichte dem knieenden Kaiser den Leib des Herrn. Als
sich Otto wieder erhoben, sprach er zu den Deutschen: „Sebt um euch!