1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Fasten, Beichte.und Gottesdienst vorhergehen; bisweilen aber erfolgte der
Ritterschlag auch ohne alle Vorbereitungen mit flachem Degen auf die
Schulter, wobei erinnert wurde, dieser Schlag sei die letzte Beleidigung,
die man geduldig ertragen müsse. Natürlich empfing man die Würde am
liebsten von Königen und Fürsten, zumal wenn sic dabei Geschenke austheilten.
Nicht jeder aus dem Volke galt für ritterfähig, und Kaiser Friedrich
Rothbart setzte zur Erhaltung der Würde des Adels ausdrücklich fest, daß
die Söhne der Bauern sich der ritterlichen Würde nicht anmaßen dürften;
natürlich blieb aber den Königen das Recht, jeden einzelnen wegen seiner
Verdienste zu adeln. Alle Ritter standen unter einander völlig gleich ; der
ritterfähige Dienstmann ging, sobald er den Ritterschlag empfangen hatte,
dem Knappen von hoher Geburt vor. So erhielt das persönliche Verdienst
einen hohen Werth neben dem ererbten Adel.
Der Ritter trug einen Panzer und unter demselben ein ledernes Koller
oder ein mit Flachs oder Hanf gefüttertes Wams, über demselben einen
glänzenden, mit seinem Wappen bezeichneten Waffenrock. Statt des eisernen
Panzers findet sich bisweilen ein Maschenpanzer oder ein Panzerhemde.
Der eiserne Helm war inwendig, um den Druck zu mildern, stark gefüttert.
Die Waffen bestanden aus Lanze, Schwert, Kolben, Streithammer oder
Streitaxt und einem Schilde, der gewöhnlich von Holz, aber mit einem
eisernen Reifen und einem meist ledernen Ueberzuge versehen war. Auch
die Pferde waren mehr oder weniger geharnischt, und über die Sättel oft
eine große, geschmückte Pferdedecke gehängt.
Am glänzendsten trat das Ritterthum in den zahlreichen Turnieren
hervor, die erst im zwölften Jahrhundert eine bestimmte Gestalt annahmen.
Durch feierliche Berufungen wurden die Ritter eingeladen, und schon am
Abend vor dem eigentlichen Beginn des Kampfspieles fanden Vorkämpfc
und Gefechte statt, besonders unter den Knappen, welche ihre Meisterschaft
am folgenden Tage darthun und Ritter werden wollten. Gewisse Ehren-
gesetze wurden streng beobachtet; man durfte sich z. B. nicht an den Sattel
fest binden lassen, keine scharfen Lanzen gebrauchen und mit dem Schwerte
nicht stechen, man sollte das Pferd des Gegners nicht verwunden und den
Kampf endigen, sobald jener den Helm abnähme. Jeder strebte, sich durch
die Pracht seiner Rüstung und Kleidung, durch die Stärke und Schönheit
feines Pferdes auszuzeichnen, und Sammet, Seide, Hermelin, Zobel, Silber
und Gold werden dabei häufig erwähnt. Die ausgesetzten Preise waren
sehr verschieden. Man kämpfte entweder Mann gegen Mann oder in
ganzen Scharen; der Sieg war errungen, wenn man den Gegner aus
dem Sattel gesetzt hatte. Oft kamen bei solchen Turnieren Ritter um;
auch ohne Wunden erstickten manche in ihren schweren Rüstungen. Die
Päbste suchten deshalb durch wiederholte Verbote jene Feste zu verhindern,
aber die Gefahr und der Glanz lockten zu sehr, sie wurden nicht ausgerottet.
Ein Hauptunterscheidungszcichen der ritterlichen Familien wurden die
Wappen, welche seit dem Anfang der Kreuzzüge, auch im Siegel, immer
häufiger gebraucht wurden. Gewöhnlich erinnerten dieselben an eine Helden-