1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Aus der Erdkunde.
34. Die Marschen an den Mündungen der Weser
und der Elbe.
'ie Ströme führen, besonders bei Ueberschwemmungen, fettes Erdreich aus
dem Innern des Landes mit sich; dieses wird von dem Meere an die
Küste geworfen und dort zu Inseln und fetten Schlammbänken auf-
gehäuft. So sind die Marschen entstanden, von deren grünem Saume
die ganze Nordseeküste Deutschlands umzogen ist.
Die Marschen sind flach und scheiden sich dadurch scharf von dem übrigen,
älteren festen Lande, das ihnen zum Anhaltspunkte dient, wie der Knochenbau dem
Fleische. Die Marschbewohner nennen jenes höhere Land die Geest oder Gast,
und der Unterschied von Geest und Marsch wird von ihnen immer besprochen, ja
einem rechten Marschbauer zerfällt fast die ganze Welt in Geest und Marsch.
Die Marsch ist viel fruchtbarer als die Geest; jene ist kahl und völlig waldlos,
diese stellenweise bewaldet. Jene zeigt nirgend Sand und Heide, sondern Acker
an Acker, Wiese an Wiese; diese ist heidig, sandig und nur stellenweise bebaut.
Die Marsch ist von Deichen und schnurgeraden Kanälen durchzogen, ohne Quellen
und Flüsse; die Geest hat Quellen, Bäche und Flüsse.
Die weiten Wiesenfluren in der Marsch sieht man in der Nähe und Ferne
mit Herden weidender Rinder bedeckt; von den entlegenen Weiden schimmern die
bunten Rücken der Kühe und Ochsen noch wie Wiesenblümchen herüber. Wie die
Viehherden, so erblickt man auch die Wohnungen der Leute weit und breit zer-
streut. Sie liegen auf oft künstlich errichteten Hügeln von 10 bis 12 Fuß Höhe,
die Wurten, auch Warfen, Warten, Worthen genannt werden, und die den Be-
wohnern und allen ihren Habseligkeiten als Zufluchtsorte bei großen Ueberschwem-
mungen dienen. Wie Burgen ragen diese Hügelwohnnngen aus dem Grasmeere
hervor. Auf diese Wurten wird alles mit hinaufgezogen, was die Feuchtigkeit
der Wiesengründe nicht verträgt, namentlich der Gemüsegarten. An ihren Ab-
hängen werden Kohl und Rüben gebaut; im Sommer sind sie von dem in Blüte
stehenden Senfsamen gelb gefärbt. Auch steht hier und da ein Baum auf dem
Gipfel des Hügels neben dem Hanse. Sonst ist in der Marsch nirgend ein Busch
oder Baum zu erblicken.
Ueberall ziehen sich Deiche an-der Küste hin, welche das Land gegen die
Meeresfluten schützen. Sie haben an manchen Stellen unten eine Breite von
160 Fuß und eine Höhe von 30 Fuß und sind mit Sielen versehen. Die Siele
sind Oestnungen in den Deichen, durch welche das Wasser aus dem Lande zum
Meere abfließt. Sie sind mit Thüren verschlossen, welche bei der Ebbe sich von
selber aufthun, bei der Flut aber von dem anschwellenden Meerwasser wieder ge-
schlossen werden. Weil die Deiche erhaben und daher trockener sind als das tief-