1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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länder ist ruhig, ausdauernd, beharrlich, außerordentlich thatkräftig und von
edelstem Gemeinsinn beseelt, schließt sich aber hochmüthig ab gegen alles, was
nicht englisch ist. In keinem Lande ist ein solcher Gegensatz zwischen den höchsten
und niedrigsten Ständen wie hier; die Roheit und Trunksucht der niedrigsten
Klassen ist, namentlich in Irland, sehr groß.
Unter allen Völkern der Erde hat das britische es vielleicht am besten ver-
standen, die reichen Hülfsquellen seiner Heimat auszubeuten. Der Ackerbau
wird zwar nicht überall von der Natur begünstigt, aber in vielen Gegenden ist
der Boden von ausgezeichneter Ergiebigkeit (es wird besonders Weizen gebaut);
dennoch muß wegen der dichten Bevölkerung Brotkorn eingeführt werden. Die
Viehzucht steht fast auf noch höherer Stufe (englisches Vieh und englische Pferde
sind berühmt). Von großer Bedeutung ist der Bergbau; in England und
Schottland sind unerschöpflichelagervonsteinkohlen; außerdem hat
England bedeutende Eisenbergwerke, reiche Blei- und Kupferminen,
und im südlichen Theil wird Zinn gewonnen. Ferner sind reiche Lager von
Steinsalz vorhanden. Auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit steht die
Industrie. Wohl die Hälfte der Bevölkerung ernährt sich durch dieselbe, und
viele Gegenden Englands sind mit Fabriken wie übersäet. Zu den vorzüglichsten
Industriezweigen gehören: die Fabrikation von Baumwollen-, Wollen-,
Seiden-, Metall-, Porzellan- und Glaswaaren, außerdem große Brauereien.
Von außerordentlicher Wichtigkeit sind endlich Handel und Schiffahrt, be-
günstigt durch die glückliche Vertheilung und große Schiffbarkeit der Flüsse und
durch die große Zahl von vortrefflichen Landstraßen, Kanälen und Eisenbahnen.
Die Handelsmarine zählt über 25,000 Schiffe. Die englischen Schiffe bedecken
alle Meere, die englische Flagge weht in den fernsten Häfen aller Welttheile. Bei
solcher Thätigkeit ist der zum Sprichwort gewordene Reichthum der Engländer
erklärlich. In der That besitzen Tausende ein fürstliches Vermögen, aber neben
jenem Reichthum trifft man die bitterste Armuth, besonders in den Fabrikdistrikten
und großen Städten, noch mehr aber in Irland, wo das Elend des Volks den
höchsten Gipfel erreicht hat.
59. Neapel und der Vesuv.
Süd-Italien ist unstreitig der fruchtbarste und gesegnetste Theil von ganz
Italien, darin die prächtige Stadt Neapel am Meere, mit dem Vesuv in der
Nähe. Die Lage ist reizend schön und wird nur von den Umgebungen Konstan-
tinopels übertroffen. Der Himmel erscheint hier Monate lang ununterbrochen
wolkenlos und so blau oder noch blauer, als bei uns in den schönsten Frühlings-
tagen. Die Luft ist so rein, daß meilenweit entfernte Dörfer ganz nahe erschei-
nen. Das südliche Meer ist dem nördlichen gegenüber ein anderes. Wer je das
Meer oder tiefe Seen betrachtet hat, der weiß, wie sehr ihre Schönheit von der
Farbe der Luft abhängt, und wie ein grauer Himmel nur immer auf ein graues
Wasser niederscheint. Sobald man aber in Neapel sich vom Ufer so weit entfernt
hat, daß der Grund nicht mehr durchscheint, ist die See, besonders im Schatten
des Fahrzeugs, vom schönsten reinsten Jndigoblau; doch wechseln die Farben
beständig in den mannigfaltigsten Abstufungen. Ueberblickt man vom hohen
Ufer die Wasserfläche, und es naht ein Wind vom Meer her, so verdunkelt sich das
Gewässer in weiter Ferne; ein breiter Schatten rückt allmählich näher. Der
glatte, silberne Spiegel geräth in schwankende Bewegung; kleine Wellen erheben
sich und schlagen plätschernd, wie zum Spiel, an's Ufer. Aber schon folgen
größere; lange Bänke grüner Wogen kommen brüllend; ihre weißen Häupter und
Kämme erheben sich immer wilder; donnernd prallen sie an den Strand und
brechen zurückschmetternd die nächste Linie der andringenden Wafferhügel. Herr-
lich ist auch der hüpfende Sonnenglanz aus dem mäßig bewegten Meer. Geht
die Sonne unter, so spielen auf dem Meer alle Farben des Regenbogens. Nachts,
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