1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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13. Die Einführung der Reformation.
1. Der Aberglaube des Volkes.
In der katholischen Kirche waren im Laufe der Jahrhunderte viele
Mißbräuche aufgekommen. Der Pabft in Rom meinte der Statthalter
Christi auf Erden zu sein, und alle Völker glaubten an die Irrlehren,
welche seine Priester ihnen verkündigten. Auch in unserem Lande hatte
der ärgste Aberglaube tiefe Wurzeln gefaßt. Die Maria verehrte man
auf abgöttische Weise als Mutter Gottes und Königin des Himmels und
glaubte durch ihre Fürbitte Vergebung der Sünden zu erlangen. In
Nücheln in Holstein war ihr Bild aufgestellt, das viele Wunder verrichten
sollte und von vielen Pilgern besucht wurde. Im Kloster zu Bordesholm
wurden ihre Nählade, ihr Nähtuch und Nähkissen, ihre Flechten und
Krystalle, ja die Reste von ihrem Ohrenschmalz den Besuchern zur
Verehrung ausgestellt. Daneben ward ein Stück von dem Kreuze Christi
gezeigt, welches eine unendliche Menge von Löchern enthielt, die von
Herzögen und Grafen zur Bezeichnung ihrer Sünden hineingestochen
waren. Zu Klues in der Probstei Flensburg verehrte man das Bild der
heiligen Anna, der Mutter der Maria, die kranke Kühe und Pferde gesund
machen sollte, wenn man nur die „Klawen" und Halfter, woran sie
gebunden, der Heiligen darbrachte. Den Heiland und Erlöser nannte
man St. Helper und sein wunderthätiges Bild ward zu Ploen und
Klipplev gezeigt. Es hing hier in einer Kapelle am Kreuze, war mit einer
goldenen Krone, goldenen Handschuhen und Schuhen geschmückt und
konnte nur durch ein vergittertes Fenster gesehen werden. Krankes Vieh
führte man auch dahin und glaubte, daß es gesund würde. Auf dem
Kirchhofe zu Gottorf war eine geweihte Kapelle, in der das Bild des
heiligen Georg stand und von einer alten Frau bewacht wurde. Ihm
wurden Pferde, Kühe, Ochsen, Schweine, Wachs, Flachs, Korn und vieles
andere dargebracht. Aber alle diese inländischen Wallfahrtsörter, die
heiligen Quellen z.b. zu Süderbrarup, genügten kurz vor der Reformation
dem Volke nicht mehr. Sie pilgerten in ferne Länder, nach Rom,
Spanien, selbst nach Jerusalem, um daselbst die todten Knochen längst
verstorbener Männer anzubeten.
Entsetzlicher aber war noch der Aberglaube, den die Priester und
Mönche verbreiteten, um Geld und Gut zu gewinnen; die heiligen
Sakramente reichten sie den Leuten für ein Pferd oder eine Kuh, und
Vergebung der Sünden ertheilten sie für Gold und Silber. Im Jahre
1516 kam ein Gesandter des Pabstes, Arcimbold, in's Land und bot allem
Volke Ablaß der Sünden an, mit der Verheißung, daß er vom Pabste die
Macht empfangen habe, für Geld die völlige Reinheit und Unschuld der
Seelen, wie zur Zeit der Taufe, wiederherzustellen, bis zum Tode zu
erhalten und dann die Thür des Himmels zu öffnen. Selbst Raubmördern
ertheilte er Ablaß ihrer Sünden, wenn sie ihm gut zahlten von ihrem
Raube. — Es gab ein Gebet, von dem gesagt wurde, daß der Kaiser Karl