1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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den übrigen Völkern gemeinsame Sache gegen Napoleon zu machen. Als daher
die ersten russischen Truppen in dem nah befreundeten Hamburg erschienen, da
regte sich auch in Schleswig-Holstein überall die freudigste Theilnahme, und mit
Genugthuung hörte man, daß auch schon die dänischen Truppen auf den Elbinseln
bei Hamburg mit den Franzosen handgemein geworden waren. Aber von neuem
erwachte der tiefste Unmuth gegen England, als man vernahm, daß es, stattseinen
Flottenranb zu vergüten, in die neue schmachvolle Beraubung unseres Königs, in
die Trennung Norwegens von Dänemark, gewilligt und unsern Bernstorf mit
seinen Friedensanträgen schnöde zurückgewiesen habe. Als nun Schweden und
Mecklenburger, die russisch-deutsche Legion und zahlreiche Kosacken- und Baschkiren-
schwärme, um die Abtretung Norwegens in Holstein zu erzwingen, zur Schmach
der großen Sache des deutschen Befreiungskrieges, in dieses Land einrückten und
bald auch über die Eider vordrangen, hier jedoch die Dänen und Schleswig-
Holsteiner auf ihrem Rückzüge nach Rendsburg bei Sehested den alten Ruhm ihrer
Waffen bewährten, da durchdrang der glühendste Eifer für die Sache unseres
Königs Alt und Jung. Bald erschienen Kosackenhorden auch in Husum. Einige
waren geneigt, ihnen auch hier einen Empfang zu bereiten, wie in anderen deutschen
Städten. Allein die königlich Gesinnten und unter ihnen vor allen der Kammer-
rath Beseler waren darüber tief entrüstet und ließen herbe Worte fallen. Wir
Jünglinge aber vermochten nicht länger diese feindlichen Gesichter zu ertragen.
Schon seit Wochen hatte ich meinem Rector die Schule gekündigt und „den Dienst
des jungen Feldjägers" studiert, um, wenn der König, wie wir ganz zuversichtlich
hofften, die Jugend in's Feld riefe, nicht ganz unvorbereitet zu sein. Kurz vor
Weihnachten 1813 marschierte ich nun mit einigen Freunden durch die Kosacken-
Vorposten auf Umwegen nach Flensburg, wo noch die Dänen standen. Am ersten
Weihnachtstage mußten diese, statt vorzurücken, sich weiter zurückziehen. Ich sah
die alten Dragoner vor Grimm weinen und war nur zugeneigt mit einzustimmen,
als die guten Eltern meinem Wunsche, mitzuziehen, entgegen waren und die Auf-
forderung des Königs abzuwarten verlangten. Bald rückte denn auch Tettenborn
mit seinen Kosacken in Flensburg ein, war jedoch sehr erzürnt, als ihm hier nie-
mand entgegenkam und die Flensburger auf alle Weise ihre treue Anhänglichkeit für
die Sache ihres Königs zu erkennen gaben. — Als der Kieler Friede geschlossen
war, welcher das altehrwürdige Band zwischen Dänemark und Norwegen zerriß,
und nach dem Abmarsch der Schweden die Kosacken neu gekleidet und ihre schwer-
müthigen Lieder singend durch Flensburg zogen, kehrte auch ich wieder nach Husum
auf die Schule zu meinen Studien und meinen dortigen Freunden zurück. Mit
diesen wurde besonders der wiederkehrende Jahrestag der „Schlacht bei Sehested"
gefeiert.
2. Wie es^ damals in unserm Lande aussah, jj
Wie Elvers, so dachte auch die Mehrzahl des Volkes, es blieb dem Könige
Friedrich Vi. treu gesinnt, während das Land durch Kriege verheert ward, die allein
zu Gunsten Dänemarks geführt wurden. Wie traurig sah es zu der Zeit in den
Herzogtümern aus! Die ganze Handelsflotte Schleswig-Holsteins, welche beim
Beginn des Krieges mit den Engländern auf allen Meeren zerstreut war, wurde
nebst ihren Ladungen von denselben weggenommen, ohne daß den Eigenthümern
Ersatz geleistet ward. Die Stadt Flensburg allein verlor damals 133 Schiffe.
Alle Einfuhr von Colouialwaaren war auf das strengste verboten und selbst nord-
amerikanischen Schiffen die Einfahrt in die Häfen des Landes versagt. Während
so aller Handel stockte, war ganz Holstein und ein Theil von Schleswig von der
dänischen Armee besetzt, weil man immer einen feindlichen Angriff von Seiten der
Engländer fürchtete. Die ganze Last des Krieges lag auf unserem Lande; Steuern,
Lieferungen und Leistungen für die Armee nahmen überhand und wirkten höchst
nachtheilig auf die Wohlfahrt derbewohner. Und trotzdem daß mit so ungeheuren
Kosten eine große Armee unterhalten wurde, fand sich keine Gelegenheit für sie,
kriegerische Thaten gegen die Engländer auszuführen. Mit Ingrimm vernimmt