1868 -
Wiesbaden Schleswig Hannover
: Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
- Hrsg.: Meyn, Ludwig, Johansen, Christian, Keck, Heinrich, Sach, August
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Norddeutschland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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dank wäre es, wenn man den biederen Claudius das Schicksal anderer Boten
theilen und gleichgültig gehen ließe, nachdem er seine Botentasche freundlich geleert:
Der Bote ging in schlichtem Gewand,
mit gespaltenem Stab in der biederen Hand,
ging forschend wohl auf und forschend wohl ab
von der Wiege des Menschen bis an sein Grab.
Er sprach bei den Frommen gar freundlich ein,
bat freundlich die andern auch fromm zu sein,
und sahn sie sein redlich ernstes Gesicht,
so zürnten auch selbst die Thoren ihm nicht.
In seinem geliebten Wandsbeck hatte er nach langem Wandern, nicht selten
von Nahrungssorgen um seine zahlreiche Familie gequält, da seine Einnahme
vom Boten gering war, durch die Güte des Königs Friedrich Vi. und die Freund-
schaft der Gräfin Schimmelmann einen bleibenden Ruheort gesunden. In diesen
freien, weiten, ländlichen Räumen verweilte er im Kreise seiner Familie und in
trautem Verkehr mit Freunden von nah und fern; häufig sah man ihn, wie er
durch Feld und Wald wanderte, die Sterne beschauend, frohe Lieder singend und
die Nachtigallen belauschend. Er besang denn auch in vollen Tönen die Freuden
des Landlebens, das Glück des Landmanns, den er über alles liebte, die Schön-
heit der Natur, Freud und Leid des Familienlebens, begeisterte zur Nächsten- und
Vaterlandsliebe und verfolgte Thorheit und Laster durch Spott und Verachtung.
Aber der stille Abend des müden Greises ward laut und heftig durch schwere
Kriegsereignisse unterbrochen. Gegen Ende des Jahres 1810 ward Hamburg
eine französische Stadt; Claudius' Schwiegersohn, der Buchhändler Perthes, ein
edler deutscher Mann, entrann kaum der französischen Gefangenschaft und dem
Tode durch Henkershand; seine Frau rettete sich mit ihren Kindern in's Holsteinsche.
Bald mußte auch Claudius selbst aus seinem Wandsbeck weichen, da Däne-
mark mit Napoleon im Bunde war und die Schweden und Russen heranrückten;
73 Jahre alt mußte er so den Ort und das Haus, in dem er fast ein halbes Jahr-
hundert verweilt, verlassen und irrte an verschiedenen Orten umher. In Kiel
lebte er eine Zeit lang mit seinen Kindern in drückender Noth; erst imjahre 1814
konnte er nach Wandsbeck zurückkehren. Es waren schwere Prüfungen für den
alten ehrwürdigen Mann; doch nicht in diesen Entbehrungen, so schwer sie waren,
nicht in der Zerstreuung seiner Kinder bestand sein Hauptherzeleid; mehr beküm-
merte ihn die Schickung, daß Dänemark im Kampfe mit seinem deutschen Vater-
lande war, daß ein Sieg der guten Sache, für die sein Schwiegersohn litt und sich
abmühte, und die ihm auch die gute war, seinen geliebten König und Herrn auf's
Haupt schlagen mußte. Darüber brach sein Herz, denn er hatte gegen seinen Kö-
nig, der ihm früh und spät unaufgefordert wohlgethan, ihm ein Amt an der
schleswig-holsteinschen Bank in Altona gegeben und sich immer freundlich gegen
ihn gesinnt bewiesen hatte, ein Gefühl, wie das der alten Holstentreue. Er ward
auch nach der Rückkehr seines Lebens nicht mehr froh. Außer der Trennung von
seinen erwachsenen Kindern berührte ihn der Tod vieler alten Freunde schmerzlich
und ließ auch ihn an den Heimgang denken. Sieben Wochen lang lag er auf
dem Krankenlager, und während der Zeit zeigte sich sein Herz in dem schönsten