1830 -
Büdingen
: Heller
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
72 lí, Erzählungen
rrnd ob ihm gleich seine Aeltern und Lehrer oft genug
gesagt hatten, daß es thöricht sei, sich vor Gespenstern
zu fürchten, so konnte er doch die Furcht davor nicht
Anterdrükken. Als er zu einem Schlössermeister in die
Lehre gekommen war, mußte er mit den beiden Söh-
nen seines Meisters auf einer Bodenkammer schlafen.
Diese Knaben hatten es dem treuherzigen Ferdinand
bald angemerkt, daß er sich vor Gespenstern fürchte,
und beschlossen, sich ein Mal mit ihm einen Spaß zu
Niachcn. Der eine gab daher eines Abends vor, daß
er sehr müde wäre, und früh zu Bette gehen wolle.
Er hatte aber mit seinem Bruder verabredet, daß er
sich unter Ferdinands Bette legen, und wenn dieser
rm Bette wäre, erst mit Ketten rasseln, dann plötzlich
hervorkommen, und, in ein weißes Betttuch gehüllt,
an sein Bette treten wolle; der Bruder foutt die Thür
der Schlafkümmer verschließen, damit Ferdinand nicht
entwischen könne. Was meint ihr zu dieser Verabre-
düng? — Alles geschahe, wie es verabredet war, und
der furchsame Ferdinand wurde auch wirklich durch das
Rasseln der Ketten unter seinem Bette so sehr getauscht,
daß er in das größteschrekken gerieth, und in seinem
Bette Angstschweiß schwitzte. Er rief endlich um Hül-
fe, bekam aber keineantwort. Nun stieg seine Angst
aufs Höchste; er sprang aus dem Bette und wollte zur
Thür hinaus, als die weiße Gestalt vor ihn trat, und
ihn packte. Ohnmächtig stürzte Ferdinand auf die Er-
de, und gab keinen Laut von sich. Endlich merkten die
bösen Buben, was sie mit ihrem unbesonnenen Spaß
angerichtet hatten, und wollten nun den armen Ferdi-
nand aus seinem Irrthum reißen; aber jetzt war es zu
spät, Ferdinand lag leblos da. Angstvoll riefen sie ih-
re Aeltern herbei, und mit großer Mühe ward der ohn-
mächtige Ferdinand wieder ins Leben gebracht; aber er
erholte sich sobald nicht wieder, denn ein hitziges Fie-
der ward die Folge der Angst, welche er ausgestanden
hatte. Nun bereueten die beiden Knaben ihren Spaß,
denn sie harten sich nicht vorgestellt, daß er so übel ab«
laufen konnte. Der Vater strafte sie hart dafür, und
bemühte sich, Ferdinanden von seiner thörichten Furcht-
samkeit nach und nach zu befreien.