1851 -
Berlin Leipzig
: Weidmann Reimer
- Autor: Pischon, Friedrich August, Wilmsen, Friedrich Philipp
- Auflagennummer (WdK): 196
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Berlin
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Erzählungen
aus, und steckte aus Furcht den Kopf unter das Deckbett.
Von Zeit zu Zeit zog sie ihn dann scheu hervor, um Luft
zu schöpfen, und sich ängstlich in der Kammer umzusehen.
Auf ein Mal glaubte sie an der Kammerthür eine lange weiße
Gestalt zu erblikken. Voller Schrekken zog sie sich das Deck-
bett über den Kopf, und der Angstschweiß lief ihr von der
Stirn. Lange konnte sie es in dieser Lage nicht aushalten;
sie wagte es endlich auf einen Augenblick, den Kopf hervor zu
ziehen, und siehe da, die schreckliche weiße Gestalt stand nicht
nur immer noch an der Kammerthür, sondern bewegte sich
auch. Jetzt fing Wilhelmine laut an zu schreien, und in dem
Augenblikke trat ihre Mutter in die Kammer. Aber Kind, was
ist dir denn! rief sie ihr zu: träumst du? oder wachst du? Ach
Mutter! Mutter! die weiße Gestalt! Ich glaube gar, du siehst
Gespenster, erwiederte die Mutter; ermuntre dich, und fasse
Muth. Waö ängstigt dich denn? Es kam nun heraus,
daß Wilhelmine ein weißes Handtuch, welches an der Kam-
merthüre hing, und worauf der Mond schien, für eine weiße
Gestalt gehalten hatte. Die Mutter hatte an der Kammer-
thüre gehorcht, ob Wilhelmine schliefe, und indem sie die Thüre
öffnete, hatte sich das Handtuch bewegt. Wilhelmine schämte
sich ihrer kindischen Furchtsamkeit, und sah seit dieser Zeit
nicht wieder Gespenster.
19. Die gute Tochter.
38ilhelm war sehr krank, und seine gute Mutter hatte
aus zärtlicher Bcsorgniß, schon drei Nächte hintereinander
bei ihm gewacht. Marie, seine zwölfjährige Schwester, fürch-
tetc, daß ihre Mutter von den vielen Nachtwachen endlich
auch krank werden möchte. Daher bat sie ihre Mutter herz-
lich, sie möchte ihr doch erlauben, die vierte Nacht bei dem
kranken Bruder zu wachen. Aber die zärtliche Mutter wollte
dieö nicht zugeben, theils weil Marie sehr schwächlich war,
theils weil sie fürchtete, sie möchte einschlafen, und Wilhelm
dann ganz ohne Hülfe sein. Nun wurde es Abend, und die
Mutter musste sich doch endlich aufs Bette legen, weil ihr vor
Mattigkeit die Augen zufielen. Marie hatte sich zwar auch,
auf Befehl ihrer Mutter, zu Bette gelegt, aber aus Liebe und
Besorgniß konnte sie nicht einschlafen. Als sie hörte, daß ihre
Mutter fest schlief, stand sie sacht auf, nahm ihr Strickzeug, und
setzte sich neben dem Bette ihres fransen Bruders auf die
Erde. Hier gab sie genau auf ibn Acht, und so bald er sich