1860 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Hempel, Carl Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 42
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Vom guten Lesen.
auf die Wörter legten, wohin er gehörte; und Jedermann hörte
ihnen mit Vergnügen zu, wenn sie etwas herlasen, oder eine Auf-
gabe hersagten. Auch merkte man, daß diese Kleinen es wohl
verstanden, was in einem Leseftücke für Empfindungen ausge-
drückt werden sollten. Sie mußten zwar, wenn sie sprachen oder
vorlasen, in der Stimme und dem Tone alles Gezierte (Affec-
tirte), Gekünstelte, Unnatürliche, Uebertriebene vermeiden; wo ein-
fache Erzählungen waren, da dursten sie keine lebhaften Ge-
fühle ausdrücken; aber auch bei Klagen nicht mit einer weiner-
lichen und widerlichen, und wo Freude herrschte, nicht mit einer
wild lustigen Stimme lesen. Aber doch hörte man einen Unter-
schied in den verschiedenen Lesestücken. Z. B. bei Bitten und
Liebkosungen lasen sie sanft schmeichelnd: Gute Mutter, du haft
uns lieb? Liebes Rothkehlchen, fliege mir ja nicht fort! Bei
fremdem oder eigenem Unglück hörte man das Gefühl der Weh-
muth: Ach, wir haben Vater und Mutter verloren! Armer
Knabe! was wirst du nun anfangen? Ach! ich beklage dich.
Bei Vermahnungen und Warnungen vernahm man Ernst: Fritz !
schlage nicht, ich sage es sogleich dem Vater. Verschiebt ja die
Arbeit nicht! — Bei fröhlichen Begebenheiten las man lebhafter:
Kommt, kommt, Kinder, der Vater ist vom Jahrmärkte zurück!
— Munter aufs Feld, die Früchte stehen herrlich! — Muth und
Entschlossenheit drückten sie aus, wenn der Inhalt des Leseftückes
darauf hinwies: Fort, fort, wir wollen eilen, hier ist ein
Menschenleben zu retten! Ernst, feierlich, langsam, mit dem Ge-
fühle der Andacht und Frömmigkeit lasen sie aber dann, wenn
Etwas über das Höchste, über Gott und Religion vorzulesen
war: Gott, dich beten wir demüthig an!
x Wer gut lesen will, thut wohl, wenn er die Aufgabe vorher
durchsieht, und sich mit dem Sinn eines Satzes bekannt macht.
Denn die Worte: Er hat es mir gesagt — haben eine etwas
verschiedene Bedeutung, je nachdem man sie betont. Z. E. Er
hat es mir gesagt, d. h. Er selbst; Er hat es, d. h. er hat es
mir nicht verschwiegen. Er hat es m i r rc., d. h. keinem andern;
Er hat es mir gesagt, d. h. ausdrücklich gesagt, oder gesagt,