1860 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Hempel, Carl Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 42
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
182 Sechste Abtheilung. Kurzer Abriß
Joseph Ii., ihr Sohn (1780 —1790), ein Fürst mit vie-
len Geistesgaben, Kenntnissen und voll edler Gesinnung,
wurde 1764 zum römischen Könige und 1765 zum Kaiser
erwählt. Seine Mutter erklärte ihn zwar zum Mitregenten,
übergab ihm das Heer, behielt aber die Regierung in ihrer
Hand. Sie hatte auch seine Abreise zum Kriege 1756 ge-
hindert. Friedrich Ii. galt ihm als Vorbild. Er besuchte
ihn als Graf von Falkenstein im Lager bei Neiße 1768,
und erhielt einen Gegenbesuch 1769 in Mährisch-Neustadt.
Er bereisete dann seine Länder, machte Ansprüche an Baiern,
als die kurfürstliche Linie 1777 ausstarb, oder wollte doch
einen vortheilhaften Tausch gegen die östreichischen Niederlande
durchsetzen. Jedoch Friedrich Ii. verhals dem Herzog von
Zweibrücken zu seinem Erbe; schloß einen Fürstenbund gegen
dergleichen Uebergriffe, und Maria Theresia machte, ohne Jo-
sephs Wissen und Wünsche, 1779 dem Kriege, ohne Schlacht,
durch den Frieden zu Tcschen ein Ende. Joseph nahm nun
als Alleinregent viele nützliche und nothwendige Reformen
vor; zog viele unnütze Klöster ein, gab 1781 das vortreff-
liche, noch nicht aufgehobene, obgleich oft verletzte Toleranz-
edikt, verbesserte die Erziehung, die Polizei u. s. w., und
hatte noch viele heilsame Entwürfe vor sich. Der Papst
Pius Vi., dem Vieles mißfiel, hoffte durch einen Besuch
1782 den Kaiser anders zu stimmen, aber ohne Erfolg.
Allein Josephs Reforinlust verfuhr zu rasch. Er nahm keine
Rücksicht auf sein Zeitalter, auf die eigenthümlichen Sitten
und Gewohnheiten seiner verschiedenen Nationen, ob sie auch
empfänglich und vorbereitet wären, das Gute seiner Verän-
derungen zu erkennen und als Wohlthat zu benutzen. Adel
und katholische Geistlichkeit, die in mancher Hinsicht verloren,
widersetzten sich und das unwissende Volk war leicht zu ver-
wirren. Daher allenthalben Undank, Unzufriedenheit und
Widersetzlichkeit; die Niederlande fielen gar ab. Joseph gab
nun nach, aber umsonst. Der Kummer darüber und über
andre Dinge, wie über den unglücklichen Türkenkrieg, raubten
dem liebenswürdigen Kaiser Gesundheit und 1790 das Leben.
Leopold Ii., sein Bruder und Nachfolger, seit 1765
Großherzog von Toskana, dort ein vortrefflicher Regent.
Aber für die große Monarchie, wo so Viel auszugleichen
war, regierte er zu kurz (1790—92). Die Türken erhielten
alle Eroberungen, die Niederländer viele Vorrechte zurück.
Franz als deutscher Kaiser Ii., welche Würde er 1806