1847 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Pechner, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule, Volksschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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§. 21.
pie Gallier vor Nom. — Cainillus, 390.
Im Norden Italiens, dort, wo das Land an die rauhen Alpe»
stößt, hausete ein wilder Stamm der Gallier. Es war im I. 389 v.
Chr., als dieses Volk in großen Schwärmen aus seinen Wohnsitzen nach
Etrurien drang und hier die feste Stadt Clusium (Chiusi) belagerte.
Hier in dem reichen Korn- und Weinlande, in den fruchtbaren Triften
der Apeninen forderten die Gallier Abtretung fester Wohnsitze. Die er-
schrockenen Einwohner riefen eiligst die Römer zu Hülfe. Diese schickten
zur Untersuchung der Sache eine Gesandschaft von drei patricischen
Jünglingen dahin. Auf die Frage- „Mit welchem Rechte fallet ihr in
das Gebiet freier Männer?" antwortete Brennus, der Anführer der
Gallier: „Das Recht führen wir auf der Spitze des Schwertes; den
tapferen Männern gehört Alles." Ueber diese Keckheit ergrimmten die
Gesandten. Sie stellten sich an die Spitze der Clusier und machten
einen Ausfall. Einer von den Gesandten tödtete sogar mit eigner Hand
einen gallischen Anführer. Racheschnaubend zog Brennus vor Rom.
In der Nähe desselben, an dem Flüßchen Allia, kam es zur Schlacht.
Beim Anblick der wilden gallischen Männer und ihrer eigenthümlichen
barbarischen Kleidung ergriff ein plötzlicher Schrecken das ganze römi-
sche Heer. Alle flohen schüchtern auseinander, die Wenigsten nach Rom.
Man hielt die Stadt für verloren und setzte seine einzige Hoffnung auf
das Capitol. Dorthin brachten die Römer ihre kostbaren Schätze und
erwarteten mit klopfendem Herzen die Ankunft der Feinde. Brcnnus
rückte ohne Widerstand in die verlassene Sradt. Eine Kriegslist fürch-
tend, weil alle Thore offen, die Straßen leer und alle Häuser verschlos-
sen waren, schlichen die Gallier nur langsam und vorsichtig herein. So
Lommen sie auf den Markt. Hier sitzen auf prachtvollen Stühlen die
alten, ehrwürdigen Senatoren in ihrer feierlichen Amtskleidung, das
Scepter in der Hand, mit ernster, majestätischer Miene. Die Gallier
stutzen und stehen vor ihnen, wie vor Bildsäulen der Götter. Endlich
tritt ein Verwegener näher und zupft einem Senator am Barte.
Zürnend erhebt sich dieser und schlägt mit seinem Scepter dem Gallier
aufs Haupt. Da stürzen die Gallier über die Senatoren her, machen
sie nieder und verwandeln die Stadt in einen schaudervollen Aschenhaufen.
Nach der Verbrennung der Stadt belagerten die Gallier das Ca-
pitol, dessen Eroberung ihnen beinahe geglückt wäre. Sie hatten einen ge-
heimen Weg zudemselben entdeckt. Auf diesem klimmten sie in einer sternhel-
len Nacht hinan. Alles schlief auf dem Capitol; selbst die Hunde regten
sich nicht. Schon glaubten die Gallier gewonnen zu haben, als plötzlich
die Gänse ein so starkes Geschnatter erheben, daß der Senator Mar-
tius davon erwachte. Er auf und dorthin, haut den ersten Gallier
in Stücke und stößt einen zweiten den Schild ing Gesicht, daß er rück-
lings den Fels hinunter stürzt und die ganze Kette der nachkletternden
mit sich ins Verderben reißt. Auf diesen Lärm eilen mehrere Römer
herbei, und jeder hinanklettcrnde Gallier wird zurückgestoßen. — In.
Folge dieser Begebenheit wurden die Gänse im öffentlichen Aufzuge mit
herumgeführt, die Hunde hingegen gezüchtiget. Martius erhielt den
Ehrennamen Capitolinus, wurde aber sechs Jahre später von dem-
selben (tarpejischen) Felsen herabgestürzt, weil er nach der Alleinherrschaft
gestrebt hatte.
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