1857 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Grommes, H. W.
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 26
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Elementarschule
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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15. Das katholische Kirchenjahr.
Die Kirche Gottes, durch den heiligen Geist immerdar erleuchtet
und geleitet, ist die unfehlbare Lehrerin der Menschheit in allem,
was die Glaubens- und Sittenlehren anbelangt. Auch ist sie mit Un-
fehlbarkeit ausgerüstet, wenn es darauf ankommt, den Mäubigen die
Mittel anzugeben, durch welche es ihnen möglich wird, die wahren
Glaubens- und Sittenlehren zu ergreifen und ihnen gemäß zu leben.
Dieser Mittel zur Erweckung des gläubigen Sinnes und zur Willig-
keit des Gemüthes, dem Glauben nachkommen zu wollen, gibt es
mannigfaltige, und sie können nach Ort und Zeit verschieden und
abänderlich sein. Eines dieser Mittel ist nun auch die Einsetzung und
Anordnung der Festzeiten und Festtage, welche den Gläubigen das
ganze Werk der Erlösung in geschichtlicher Ordnung wiederholt zur
Beherzigung vorführen. Diese festlichen Zeiten und Tage zusammen
genommen nennt man das katholische Kirchenjahr. Dasselbe
zerfällt in drei Hauptabtheilungen, welche sich vom Advente bis zum
Aschenmittwoche, vom Aschenmittwoche bis zu Pfingsten, und von
Pfingsten bis zum Advente erstrecken. Im letzten Drittel der Herbst-
zeit nimmt das Kirchenjahr mit dem Advente seinen Anfang. Wie
sehr stimmt diese Jahreszeit zu der Bedeutung dieser Zeit des Kir-
chenjahres! Kalte, düstere Nebel durchziehen das Land, das winter-
liche Erstarren der Natur rückt immer näher heran, und die Erde wird
endlich mit Schnee und Eis bedeckt. So war auch die Welt beschaffen
vor der Ankunft des Heilandes. Der menschliche Geist war erkaltet
und verdüstert durch Un- und Irrglauben, die trostlosesten Aussichten
verbanden sich mit dem Gedanken an den Tod, und in schmerzlicher
Sehnsucht verlangte das Herz nach Belehrung und Gewißheit über
das endliche Loos der Menschen. Da erschien der Aufgang aus der
Höhe, das Licht, das einen jeden Menschen erleuchtet, der in diese
Welt kommt; das ewige Wort, der ewige Sohn Gottes nahm die
menschliche Natur an und ward geboren in Bethlehem. Auf die wür-
digste Feier deö Gedächtnißtages der Menschwerdung des Sohnes
Gottes, der sichtbaren Ankunft Gottes unter den Menschen, will
uns nun die heilige Kirche vorbereiten in der Zeit des Adventes.
Während des Gottesdienstes, der in uns dieselbe Sehnsucht erneuern
will, womit einst die frommen Väter der Vorzeit nach dem Erlöser
aufseufzten, ergießt sich das Herz in dem schönen Adventsliede:
Thauet, Himmel, den Gerechten,
Wolken, regnet Ihn herab!
Rief das Volk in bangep Nächten,
Dem Gott die Verheißung gab:
Einst den Mittler selbst zu sehen
Und zum Himmel einzugehen;
Denn verschlossen war das Thor,
Bis ein Heiland trat hervor.
Gott, der Vater, ließ Sich rühren,
Daß Er uns zu retten sann;
Und den Rathschluß auszuführen,
Bot der Sohn Sich willig an.
Schnell flog Gottes Engel nieder,
Brachte diese Antwort wieder:
Sieh, ich bin des Herren Magd,
Mir gescheh', wie Gott gesagt.