1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Westermeier, Franz Ä. Bogislav
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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und sie hatten von Neuem das Blut der Jünger Jesu Christi
vergossen; da ging denn endlich nach 40 Jahren in schreck-
liche Erfüllung, was der Herr dieser sündigen Stadt ge-
weissagt hatte (Luc. 19, 43. 44.). Je mehr die Verblende-
ten dem Evangelio widerstrebten, desto höher stieg auch das
Verderben unter ihnen; eine namenlose Lasterhaftigkeit er-
griff alle Stände, jedes Geschlecht und Alter; alle Bande
der bürgerlichen Ordnung löseten sich; ein Geist der wilde-
sten Empörung that sich überall hervor, der durch eine Menge
von Betrügern, deren Jeder sich für den Messias ausgab,
stets aufs Neue angefacht wurde. Das gab den Römern,
welche Oberherren des Landes waren, eine willkommene Ver-
anlassung zu den schrecklichsten Bedrückungen. Diese ver-
mehrten nur den Ingrimm des Volkes; hell loderte überall
die Flamme des Krieges auf. Vergebens hatten schon meh-
rere Feldherrn mit Strömen von Blut den allgemeinen Auf-
ruhr zu dämpfen gesucht; da endlich erschien der Römer Ti-
tus vor den Mauern Jerusalems. Es war gerade Ostern,
und fast drei Millionen Menschen waren zur Feier des Fe-
stes versammelt. Diese Alle wurden in der Stadt einge-
schlossen, denn der römische Feldherr ließ rings um sie her,
wie der Herr vorhergesagt hatte, eine Wagenburg, und zu-
letzt sogar eine förmliche Mauer aufführen, damit Niemand
entrinnen möchte. Wiederholte Aufforderungen zur Über-
gabe der Stadt, welche der menschenfreundliche Titus an
die Belagerten ergehen ließ, wurden mit Hohn zurückgewie-
sen. Es begann in der Stadt nun aber ein Elend, wie es
menschliche Worte nicht auszusprechen vermögen; auf eine
entsetzliche Weise wütheten darin der Krieg, der Hunger
und die Pest. Gemeinsame Noth pstegt sonst auch die Her-
zen der rohesten Menschen zu verbinden; hier führten die
Partheien im blutgierigsten Hasse einen unmenschlichen Ver-
nichtungskrieg gegen einander, nur darin unter sich einig,
daß sie den Römern die Stadt nicht übergeben wollten; und
wer auch nur einen Versuch zur Flucht machte, entging
ihrer grausamen Rache nicht. Dabei durchzogen sie in
räuberischen Haufen die Stadt, erbrachen die Häuser,
raubten die vorhandenen Vorräthe; fanden sie Widerstand,
oder keinen Vorrath, so stießen sie Väter und Mütter nie-
der, spalteten das Haupt des lebenssatten Greises, wie
des unmündigen Kindes, durchwühlten die Leichname der
Getöbteten, und rissen die noch unverdaute Speise heraus,
oder, erprobten zu ihrem unmenschlichen Vergnügen unter