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1. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 44

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
44 Hohngelächter die Schärfe ihrer Schwerter an Lebenden und Todten. Der Mangel an Lebensmitteln war so groß, daß mancher Reiche sein ganzes Vermögen für ein Maaß Wai- zen bot; gierig verschluckte dann der Hungrige 'die rohen Körner sogleich, damit ein Anderer sie ihm nicht noch ent- reiße. Die Frau raffte dem Ehemanne, dieser dem Weibe den Bissen aus den Zähnen; der Vater sah mit Kälte den Sohn, und die Mutter den Säugling verschmachten. Das Leder der Schuhe, der Schilder, der Gürtel, sogar der Aus- wurf der Thiere wurde mit Heißhunger verschlungen. Eine früherhin reiche Frau, Marie, Eleazars Tochter, ergriff aber, da ihr jedes Lebensmittel geraubt war, ihr eigenes Kind, und sich beredend, daß es doch bald ungenützt verschmachten werde, opferte sie es mit eigner Hand, um mit seinem Fleische ihren Hunger zrr stillen. Eben hatte sie einen Theil ver- zehrt, als die Krieger ins Haus drangen. Mit dem Hohn der Verzweiflung bot sie denselben die andere Hälfte ihres Kindes dar. Voll Entsetzen aber wichen selbst die rohen Menschen vor der Greuelthat zurück. Der namenlose Hun- ger erzeugte, die verheerendsten Krankheiten; die ganze Stadt glich bald einem großen Beinhause; auf den Straßen lagen die Leichname umher; die Gräber und zuletzt auch die Häu- ser wurden mit denselben gefüllt. Diejenigen aber, welchen es gelang, dem Elende der Stadt zu 'entfliehen, hatten kein besseres Schicksal, als die darin blieben. In der Meinung, daß sie Gold verschluckt hätten, schnitten die feindlichen Krie- ger ihnen den Leib auf, obwohl es der menschliche Feldherr streng verboten hatte. "Noch immer hatte Dieser gehofft, das Uebermaaß des Elends werde die Belagerten zur Uebergabe der Stadt be- wegen; aber vergebens. In wahnsinniger Schwärmerei er- wartete die rasende Menge wunderbare Hilfe von den Ju- den aus Babylon oder von dem Messias, auf den sie noch hofften.. Da bahnte unter Strömen von Blut das feindliche Heer sich einen Weg in die Stadt, und schon stand es vor dem Tempel, der nun nicht mehr die stille, liebliche Wohnung des Herrn Zebaoth, sondern der Waffenplatz einer räuberischen und mörderischen Schaar der gottlosesten Menschen gewor- den war. Ihn wenigstens wollte der edle Titus erhalten; aber aufs Neue sah er seine Erbietungen mit Hohn zurück- gewiesen. Da ward der Befehl zum Sturme gegeben. Ein Feuerbrand flog durch ein goldnes Fenster am Thor in eine Kammer des Tempels, und in wenigen Augenblicken war
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