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1. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 324

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
324 74. Der Geiger in der Wolfsgrube. Vor nicht so langer Zeit gab es auch noch in unsern deutschen Wäldern viele Wölfe, und mancher Bauer weiß noch die Geschichte von jenem Geiger in der Wolfsgrube so gut, als wäre sie gestern geschehen, obgleich sie ihm sein Großvater erzählt hat. Es ging nämlich einmal ein Geigers- mann von einer Kirchweihe nach Hause, auf welcher er den Leuten bis tief in die Nacht aufgegeigt hatte. Das Männ- lein ging ohnehin nicht gern auf gradem Wege und kam daher auch in dem dicken Forste, durch den er mußte, bald so weit zur Seite ab, daß er am Ende in eine Grube fiel, welche der Jäger zum Wolfs fange gegraben hatte. Der Schreck war schon groß genug für den Geiger, da er so ohne Weiteres von der ebenen Erde hinunter in die Tiefe fuhr, wurde aber noch größer, da er unten auf etwas Le- bendiges fiel, was wild aufsprang; und er merkte, daß es ein Wolf sei, der ihn mit glühenden Augen ansah. Der Mann halte Nichts in der Hand als seine Geige, und in der Angst fängt er au, da vor dem geöffneten Wolfsrachen alle seine Stücklein aufzugeigen, die ihm aber diesmal selber gar nicht lustig vorkamen. Dem Wolf mußte aber diese Musik ganz besonders schön und rührend vorkommen, denn das dumme Vieh fing an überlaut zu heulen, was wohl, wie bei unsern musikalischen Hunden, wenn sie Sang und Klang hören, gesungen heißen sollte. Die andern Wölfe draußen im Walde, da sie ihren Kameraden drinnen in der Grube so singen hörten, stimmten auch mit ein, und ihr Geheul kam manchmal so nahe, daß das Geigerlein, an welchem kaum ein einziger Wolf satt geworden wäre, ge- schweige zwei, jeden Augenblick fürchten mußte, es käme noch ein anderer, auch wohl ein dritter und vierter Gast zu seinem bischen Fleisch in die Grube herein. Unser Kapell- meister in der Wüste guckte indeß einmal übers andere in die Höhe, ob's noch nicht Tag werden wallte, denn das Geigen war ihm sein Lebtag noch nicht so lang geworden, und so sauer vorgekommen, als da vor dem Wolfe, und er hätte lieber Holz dafür hacken wollen, zwanzig Jahre lang alle Wochentage. Ehe aber der Morgen kam, waren schon zwei Sauen an seiner Geige zerrissen, und da es Tag wurde, riß die dritte, und der Geiger spielte nun blos noch auf der vierten und letzten, und wäre die auch noch zerrissen, so hätte ihm der Wolf, der durch das viele Heulen die ganze Nacht hindurch nur noch hungriger geworden war, keine
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