1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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willen auch wohl auf das Gesicht schlafender Menschen legt. Über-
haupt ist es zu tadeln, wenn manche Personen die Freundschaft mit
Hunden und Katzen bis zur Verwöhnung und Verzärtelung treiben
und wohl gar Menschen hungern und frieren lassen, während sie ihre
Lieblingsthiere mit Leckerbissen füttern und auf Polster und an den
warmen Ofen legen. Bis zu welcher Thorheit und Hartherzigkeit
diese Liebhaberei ausarten kann, davon können statt vieler Exempel
folgende zwei dienen.
In Leipzig starb vor, ich weiß nicht wie viel Jahren, ein Paar
alte kinderlose Leute, welche ein Windspiel, also einen Hund, welcher
eher ans die Jagd als in das Haus gehört, wie ein Kind behandelten
und verzärtelten. Kam das Weihnachtsfest, so putzten sie jedesmal ein
Tannenbäumchen für ihren hochbeinigen Hund, besteckten es mit Wachs-
lichtchen und hängten an jeden Zweig eine Bratwurst. Wenn nun
der Hund eine nach der andern hinabschlang und sich den Magen bis
zum Zerplatzen überlud, so hatten sie ihre kindische Freude daran.
Noch ärger ist, daß eine vornehme Frau ihren kleinen Sohn ein-
mal mit Füßen trat, weil er ihre Lieblingskatze unversehens auf die
Pfote getreten hatte. Und wenn es der Knabe mit Willen gethan
hätte, so wäre es ihm nicht sehr zu verargen gewesen. Denn die
Köchin schnitt ihm öfters ein Stückchen trockneö Brod ab und streute
Salz darüber, während sie dem Kätzchen ein gebratenes Täubchen
anrichtete.
Daß sowohl der Hund als die Katze, obwohl gezähmt, zu den
Raubthieren gehören, läßt sich leicht aus ihrem Gebiß und ihren Kral-
len abnehmen. Nur Fleisch-sressende Thiere bedürfen dergleichen. Zwar
haben jene Beiden sich fast an alle Speisen gewöhnt, welche der Mensch
ihnen vorsetzt, und der Hund insbesondere ist ein sehr genügsames
Thier, dem es weniger aus die Art der Speisen, als aus ihre Menge
ankommt; allein wenn sie die Wahl haben, so ziehen doch Hunde wie
Katzen allemal Fleisch den Speisen aus dem Pflanzenreiche vor. Die
Katze setzt ihre natürliche Raubgier gegen Mäuse, Ratten und Vögel
fort und Jagdhunde, welche nicht unter guter Aufsicht gehalten werden,
jagen ebenfalls sehr gern zu ihrem eignen Vortheil. Auch ist die Katze
ihren Stammverwandten, dem Tiger, Leoparden, Panther, Luchs und
selbst dem Löwen ähnlich genug, um anzudeuten, daß sie eigentlich für
dieselbe Lebensart geschaffen ist. Und die noch ähnlichere wilde Katze
lebt ja in unseren Wäldern ebenso räuberisch als der Tiger in den asia-
tischen, nur daß blos kleinere Thiere: Vögel, Eichhörnchen, Hasen u.
dgl. ihre Beute werden. Der Hund gehört zu einer anderen Familie
von Ranbthieren, denen er aber oft täuschend ähnlich ist. Der Wolf ist
nämlich ganz leicht mit einem starken Metzgerhunde zu verwechseln,
und der Fuchs kann von weitem gesehen recht gut für einen Hund
passiren. lind noch näher kommt ihm der Schakal, welcher im jüdi-
schen Lande lebt und welcher ohne Zweifel unter den Füchsen zu ver-
stehen ist, welche Simson fing. Auch die gräßliche Hyäne, welche die
Leichname ausscharrt, ist mit dem Hunde einigermaßen verwandt, Was
man schon daraus abnehmen kann, daß die Hunde sich auch durchaus
nicht vor Aas und Leichnamen ekeln.