1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ernst. Sie thun aber wirklich Schaden. Ich habe selbst schon ge-
sehen, wie sie Körnchen auflesen, die bis auf ein kleines Pünkt-
chen mit Erde bedeckt waren und sicherlich aufgegangen wären.
Du darfst dein Vieh nicht auf fremder Leute Kosten ernähren.
Ludw. Die Jäger ernähren ja auch daö Wild auf fremder Leute
Kosten.
Ernst. Das sind auch die Jäger. Ein Umecht entschuldigt das an-
dere nicht. Ich werde jedenfalls meine Tauben größtentheils zu
Hause halten.
Ludw. Dann wirst du nicht viel Kluges erziehen. Schlaghocker, die
keinem Raubvogel auszuweichen im Stande sind, und in sechs
Bruten kaum ein Junges aufbringen.
Ernst. So arg wird es gerade nicht werden. Ich habe solche Arten
angeschafft, welche dazu am besten taugen: Kröpfer und Mövchen.
Ludw. Nun die Kröpfer lasse ich mir gefallen, das sind wenigstens
kräftige Bursche, aber deine zärtlichen Mövchen kommen mir vor
wie die bleichen Stadtmamsellen. Ich halte am meisten auf die
wildblauen Tauben, die sind groß, kräftig, gewandt und der Ha-
bicht ereilt sie am seltensten.
Ernst. Ich weiß, sie sehen gerade aus, wie die wilden Hohltauben
und sind wahrscheinlich Nachkömmlinge derselben. Aber auch un-
ter den wilden Tauben gefallen mir die Turteltauben besser als
die Hohltauben und die noch größeren Ringeltauben.
Ludw. O ja, die Turteltauben habe ich auch gern, aber nur in dem
Walde, dahin gehört ihr zärtliches Girren.
Ernst. Was wir an den Tauben lieben, das ist ja überhaupt nicht
ihr schönes Gefieder oder ihre Gestalt, sondern ihre Sanftmuth
ui^d Zärtlichkeit. Wären sie nicht das Sinnbild der Unschuld,
des Nutzens wegen würden sie nicht gehalten werden.
Ludw. Meinetwegen! Aber mit ihrer Sanftmuth steht es doch nicht
so richtig, wie du dir einbildest. Es gibt sehr zänkische Tauben
und die Tauber sind oft weder gegen ihre Täubin noch gegen die
Jungen sehr zärtlich. Ich habe Beispiele gesehen.
Ernst. Nun ja, es mag Ausnahmen geben, allein vergleiche die
Taube mit jedem anderen Thiere, und du wirst ihre Eigenschaften
bewundern und lieben.
Ludw. Bin ich denn nicht ein Taubenfreund? Mein Vater tadelt
mich oft genug, daß ich ihnen so viele Zeit widme. Er sagt: solche
^Liebhabereien werden leicht zur Leidenschaft, lehren die Zeit tobten,
und dabei wird die Natur doch nicht genau beobachtet.
Ernst. Allerdings spüre ich auch schon etwas von dieser Leidenschaft.
Doch ich hoffe, wir werden Maaß halten; und was das Beob-
achten betrifft, so bin ich sicher, daß mir Nichts in der Lebensart
meiner Täubchen entgehen soll.
Ludw. Gut! wir wollen öfter darüber reden.
33. Der Schnepfenftrich.
Heute geht es auf den Schnepfenstrich, sagte der alte Oberförster
Feldhaus zu seinem Sohne, denn Okuli sind Schnepfen hie, heißt daö