1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hon nur in den Büchern die Weisheit und die Schönheit unserer
deutschen Sprache zu suchen.
Mit herzlichem Grusse
Wolfsgruben den 15. Juni 1846. Der Ihrige
Stettling.
7. Die Drangsale unserer Vorfahren.
Was man auch dagegen einwenden mag: wir leben, Gott sei
Dank! in besseren Zeiten als unsere Voreltern. Geistiges und leibliches
Elend aller Art, welches wir zum Theil kaum dem Namen nach kennen,
hat diese vielfach bedrückt. Und statt durch vernünftiges Forschen die
Summen des Elendes zu mildern, schwang der Aberglaube seine Geißel
und vergrößerte die unvermeidlichen Uebel noch durch selbst geschaffene,
oder machte dieselben unheilbar. Besonders wurden große Drangsale von
der Ankunft der Kometen hergeleitet, Was heut zu Tage jeder Vernünf-
tige belächelt, nur einzelne Leichtgläubige oder Ungebildete noch für wahr
halten.
So war das Jahr 542 nach Christi Geburt, mithin eine Zeit, wo
in Deuschland noch größtentheils das Heidenthum herrschte, der Anfang
einer der verheerendsten Seuchen, von der Europa je heimgesucht wurde.
Sie dauerte über 50 Jahre, und sing mit allgemeinem Mißwachs und
großen Zügen von Heuschrecken an. Sie scheint das erste Auftreten der
noch jetzt im Orient einheimischen Pest gewesen zu sein. Es hat sich
davon eine Gewohnheit bis auf unsere Zeiten erhalten. Da nämlich die
von der Pest ergriffenen von heftigem Gähnen uitd Niesen geplagt wur-
den, so befahl Pabst Gregor der Große, beim Gähnen das Zeichen des
Kreuzes über den Mund zu machen, und beim Niesen den Kranken
„helf' dir Gott!" zu sagen.
Im Jahr 872 und 874 war ein großes Sterben in Europa, das
durch zahlreiche Heuschreckenzüge veranlaßt wurde. Der Moder ihrer
Leichen soll in vielen Ländern den Boden mehrere Zolle hoch bedeckt
haben. Im Jahr 966 erschien das sogenannte heilige Feuer das erste Mal
in Europa. Diese verheerende, schnell verlaufende und äußerst ansteckende
Krankheit ergriff rasch den ganzen Körper, den sie oft schon nach einigen
Stunden wie durch den Brand zerstörte. Oft erfaßte die Krankheit nur
einzele Glieder, Arme oder Beine, die nach wenigen Tagen schwarz wur>
den und abfielen. Aus ihr soll das spätere sogenannte Antoniusfeuer,
das immer noch verderblich genug war, und aus diesem endlich der noch
jetzt bekannte, aber milde, sogenannte Rothlauf entstanden sein. Damals
kam unter den geängstigten Menschen das Wallfahrten nach dem heiligen
Lande auf, woraus späterhin gegen Ende des 11. Jahrhunderts sich die
Kreuzzüge entwickelten.
Im Jahr 1092'begann ein allgemeines Sterben der Menschen und
Thiere, das über 5 Jahre währte. Viele Länder verloren die Hälfte
ihrer Einwohner und andere verödeten gänzlich. Es war der allgemeine
Glaube, daß der jüngste Tag bevorstehe.
Das verderblichste Jahrhundert unserer ganzen Menschengeschichte
aber war das vierzehnte. Schon 1310 brach eine große Pest aus und
herrschte 7 Jahre hindurch über ganz Europa. In Straßburg starben