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1. Das Vaterland - S. 175

1856 - Darmstadt : Diehl
175 Tritt aber die Natur scheinbar aus ihrer ewigen Ordnung heraus, daun geräth auch der zagende menschliche Geist auf irrige Wege. Um des Himmels Zorn zu sühnen, thaten sich Haufen von sogenannten Fla- gellanten oder Geißlern zusammen. Wer in die Brüderschaft trat, ver- pflichtete sich auf soviel Tage, als er Lebensjahre zählte, oder auch aus 33 oder 34 Tage. Zweimal täglich hielten sie unter ihrem Meister Buß- übuugcn; paarweise ins Freie ziehend, dort sich entkleidet auf die Erde legend, ließen sie sich von dem Meister blutig geißeln (man nannte Dies die Bluttaufe); dann zerfleischten sie sich selbst unter Gesang, Gebet und Kuiebeugung. Bald jedoch nahm der tolle Eifer ab. Die Geistlichkeit nahm von der daneben eiugeschlichcncn Lüderlichkeit Veranlassung, solche Bußübungen zu unterdrücken, und eine päbstliche Bulle verbot sie ganz. Die Pest wurde theils einer eigenen Stellung der Planeten, theils aber den Juden Schuld gegeben, welche die Luft verpestet und die Brun- nen vergiftet haben sollten. Dies war das Vorgeben, die wahre Schuld der Juden aber war, daß so viele Christen ihnen schuldig waren. Furcht- bar wüthete der irregeleitete Pöbel gegen sie. Zu Tausenden wurden sie gefoltert und hingerichtet, meistens lebendig verbrannt. Umsonst miß- billigten Pabst und Kaiser und andere Fürsten das unmenschliche Ver- fahren des Volks. Nur allein die Stadt Regensburg wußte sie zu schützen; in Nürnberg, München, Salzburg und an vielen andern Orten hatten sie ein schreckliches Loos! — In Verzweiflung zündeten manche dieser Ärmsten ihre Häuser selbst an, warfen ihre Kinder in die Flam- men und stürzten sich nach. Solche betrübende Schilderungen sind indessen geeignet, uns mit Dank gegen Ten zu erfüllen, der uns in besseren Zeiten hat geboren werden lassen, in Zeiten, worin erleuchtete Regierungen durch weise Maaßregeln die Summen des Wehes der Völker zu mindern suchen. Die Geschichte könnte die beste Lehrmeisterin sein für Leute, die stets nur die guten alten Zeiten preisen und undankbar das Bessere übersehen, was die Gcgenwari gewährt. 8. Der dreißigjährige Krieg. Die kläglichsten Zeiten, welche unser Vaterland erlebt hat, waren die des dreißigjährigen Krieges, jetzt vor 200 Jahren. Was die Aus- länder, die Ungarn, die Franzosen, die Russen uns jemals zugefügt haben, war niemals so schrecklich, als Was die Deutschen sich selbst thaten in diesem schmählichsten aller Kriege. Denn es war die Re- ligion, die christliche Religion, um die man mit einander Krieg führte, Ströme von Blut vergoß, wehrlose Weiber, Greise und Kinder mor- dete, Städte und Dörfer verwüstete, und alle Menschlichkeit ablegte. Der deutsche Kaiser, der verblendete Kaiser Ferdinand wollte die Pro- testanten, welchen in einem früheren Religionsfrieden die Ausübung ihrer Religion zugesichert war, mit Gewalt wieder zu dem katholischen Glauben zurückführen, und Was erntete er statt dieser gewünschten Wiedervereinigung? — Fluch und Jammer. Die ganze Nation war zerrüttet, aller Wohlstand zerstört, hundert und aber hundert Ortschaf- ten entvölkert, ja bis auf den Namen ausgerottet, Räuber und wilde Thiere hausten, wo sonst der Pflug gegangen war und die Religion,
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