1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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unter der Erde gegraben, auch keine Viadukte über Thäler und
Schluchten weggeführt worden, der Boden war vielmehr im Ganzen
dem Werke sehr günstig. Dafür ist die Bahn aber eine der frequen-
testen und durch ihre sorgfältige Verwaltung vor allen Unfällen ge-
schützt worden, während in England, Frankreich und noch mehr in
Amerika die Eisenbahn-Fahrten oft sehr unglücklich ablaufen. Denn bei
der ungeheuren Schnelligkeit, womit die Lokomotive den Wagenzug
auf einer Eisenbahn forttreibt, muß die geringste Abweichung aus der
Bahn oder der Zusammenstoß mit irgend einem entgegenstehenden
Körper die schrecklichste Erschütterung zur Folge haben. Und Was
noch schrecklicher ist, es sind schon ganze Wagenzüge in Brand ge-
rathen und Menschen und Waaren sind mit allen Fuhrwerken in Asche
verwandelt worden. Bei gehöriger Vorsicht aber gleiten die Wägen,
von der Dampfmaschine gezogen, über die eisernen Schienen, wie
Schlittschuhe über das spiegelglatte Eis, und man legt auf diese Weise
8 Wegstunden in einer Zeitstunde zurück. Die Einrichtung der Bahn-
höfe zu Mainz und Frankfurt ist sehenswerth. Das Getümmel der
mit den Dampfbooten auf dem Rhein ankommenden und mit der
Eisenbahn weiter gehenden Fremden unterhält auch den Zuschauer;
ältere Leute aber staunen, daß es jetzt durch Hülfe der Dampfmaschinen
möglich ist, von Frankfurt nach Elberfeld, einen Weg von 30 Meilen
in einem einzigen Tage zurückzulegen, und zwar ohne die Beschwerden
und Strapatzen früherer Reifen.
20. Der Brand von Hamburg.
Es war Donnerstag, am fünften Mai 1842, am Tage der
Himmelfahrt des Erlösers, eine Stunde nach Mitternacht, als die
Feuerglocken in der alten Hansastadt erschallten. Es brannte im Niko-
laikirchspiele in der Deichgasfe. Ein verjährtes Vorurtheil, überkommen
aus alten Zeiten, als wären die Löschanstalten von Hamburg die besten
der Welt, ließ die Bürger ruhig schlummern, oder das Feuerzeichen
als einen unnützen Lärm betrachten. Diese blinde Zuversicht ließ die
Bewohner von Hamburg selbst da noch nicht an die furchtbare Größe
des nahenden Unglücks glauben, als wenige Stunden nach dem Aus-
bruche des Feuers ein Südwestwind sich erhob und die Flammen an
einen Speicher trieb, in welchem sich mehrere hundert Küsten Schellack
befanden, und als bald auch einige andre mit Steinkohlen und Stein-
kohlentheer angefüllte Gebäude von denselben ergriffen wurden. Doch
als die Gluthen auch aus den Speichern des Rödingsmarktes empor-
leuchteten, schwand die thörichte Sicherheit, und man suchte endlich mit
aller Kraft sich dem verderbenden Elemente entgegenzustellen. Doch
schon war der Mensch der Gefahr nicht mehr gewachsen. Das Feuer,
welches bereits an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Straßen
aufleuchtete, theilte das Zusammenwirken der Löschanstalten und hemmte
um so mehr die Gesammtanstrengungen, da bereits brennendes Oel und
brennender Spiritus in die Kanäle'floß. Einige Stunden vor Mittag
brannten bereits die Häuser und die hölzernen Fleischerstände ves Hopfen-
marktes, und die Flammenwogen näherten sich der Nikolaikirche. Der
Himmel war mit finstern Rauchwolken bedeckt. Die Bevölkerung von
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