1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Pyrmont, welches unter den mineralischen Bädern Norddentschlands wohl
die erste Stelle einnimmt. Von dem dort hervorsprudelnden Wasser wer-
den mehrere Hunderttausende von Flaschen versendet, und die Zahl der
jährlich eintreffenden Kurgaste ist sehr beträchtlich. Auch findet sich in
der Nähe eine sogenannte Hundsgrotte, das heißt eine kleine Höhle, aus
deren Boden betäubende Dämpfe aufsteigen, so daß, wenn man einen
Hund oder ein anderes kleineres Thier hineinlegt, es erstickt.
33. Thüringen.
Recht in der Mitte von Deutschland liegt Thüringen, ein Land-
strich. welcher schon lange nicht mehr einen einzigen Staat ausmacht,
sondern verschiedenen Herren angehört. Da liegen die Lande der Herzoge
von Sachsen und des Großherzogs von Sachsen-Weimar, dazwischen
einige Preußische und kurhessische Bezirke und die Fürstenthümer Schwarz-
burg. Zu diesem Thüringen, dessen Mittelpunkt das darnach benannte
Gebirge, der Thüringer Wald, bildet, gehören gar fruchtbare und ge-
werbfleißige Gegenden mit schönen, wenn gleich nicht sehr großen Städten,
wovon die vorzüglichsten zugleich fürstliche Residenzen sind. So Weimar,
Gotha, Meiningen, Altenburg, wo die Nachkommen der Kur-
fürsten von Sachsen, welche sich zur Zeit der Reformation auszeichneten,
wohnen. In Weimar haben die berühmtesten deutschen Dichter Göthe,
Schiller, Herder und Wieland zu gleicher Zeit gelebt, nicht als wenn sie
dort geboren gewesen wären, sondern weil die großherzogliche Familie
sie mit Ehren und Huld herbeizog. Berühmt sind noch jetzt die Land-
karten, welche iit Weiinar gezeichnet, in Kupfer gestochen und gedruckt
werden. Gotha ist zwar nicht die eigentliche Hauptstadt des Herzög-
thums Sachsen - Koburg - Gotha, sondern das kleinere Städtchen Koburg,
allein cs übertrifft dies an Größe und Wichtigkeit, denn ans der Zeit
her, wo Gotha noch seine eigenen Herzöge hatte, bestehen noch viel herr-
liche Anlagen aller Art. Die Sammlungen voll Büchern, Münzen,
Kupferstichen in dem herzoglichen Schlosse, sowie die Parkanlagen in der
Nähe, sind weniger wichtig als die vortreffliche Sternwarte auf einem
benachbarten Berge, wo berühmte Astronomen den Himmel beobachteten
uild wichtige Entdeckungen machten. Eiile zlvcite Merkwürdigkeit in
Gotha ist die daselbst begründete Lebensversicherungsbank. Zwar hat
nian deren jetzt mehrere in Deutschland, allein die Gothaische war die
erste und ist noch jetzt die ausgebreitetste. Viele tausend Männer sichern
darin durch jährliche Beiträge ihrer Faueilie ein Kapital, welches nach
ihrem Tode ausbezahlt wird. Koburg wäre an sich unbedeutend, wenn
nicht die daselbst residirende herzogliche Familie durch Heirath mit den
mächtigsten Fürstenhäusern Europa's in Verwandtschaft gekommeil wäre.
Die Königin von England und die von Portugal haben sich mit Prinzen
von Sachsen-Koburg vermählt. Der König von Belgien ist selbst ein
koburgischer Prinz, und noch andere Verwandtschaften haben diese herzog-
liche Familie angesehen gemacht. Die Stadt Eisenach, welche zum
Großherzogthum Weimar gehört, ist nierkwürdig wegen ihres Schickjals
in dem französischen Kriege. Am 1. September 1610 fuhren nämlich
französische Munitionswägen durch die Stadt. Auf dem Markte, welcher
jetzt der Erplosionsplatz heißt, entzündete sich einer der Pulverwägen