1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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90 000 Rtblr. Renten rechnet, und in Potsdam sprüchwörtlich zu sagen
pflegt: Ja, Wer so reich wäre, wie die Waisen! Ansangs von Hol; aus-
gebaut, erhielt es unter der Regierung Friedrichs Ii. seine gegenwärtige
dauerhafte Gestalt. Es ist ein schönes, großes, massives Gebäude von
vier Stockwerken, mit einem Haupt- und mehreren Nebeneingängen und
einem Thurme, den eine vergoldete Göttin der Barmherzigkeit ziert.
Eigentlich besteht es aus zwei Häusern, eins für Knaben, das andere
für Mädchen. Zwischen beiden befinden sich geräumige Spielplätze. Bald
nach der Gründung wurde noch ein besonderes großes Krankenhaus für
die Waisen hinzugefügt, weil eine Epidemie einen Prediger, neun Lehrer
und einige hundert Kinder hinweggerafft hatte. Im unteren Stock-
werke befinden sich einige Zimmer für die Lehrer, andere zum Aufent-
halte der Kinder, zur Austheilung des Frühstücks und Besperbrodes,
und der Speisesaal. Dieser ist schön und geräumig, mit Säulen, gleich
einer Kirche, den Bildnissen des Stifters und des jetzt regierenden Königs
geziert, mit einem Katheder und einer Orgel versehen, der Fußboden mit
weißen Fließen belegt. Es finden hier bei gewissen Gelegenheiten, z. B.
dem Geburtstage des Königs dem Jahrestage der Schlacht bei Leipzig re.
religiöse Feierlichkeiten statt. Bei dein Essen sitzen die Kinder, an der
einen Seite die Knaben, an der andern die Mädchen, getrennt durch den
Zwischengang, an platten Tischen, an welchen die Bänke befestigt sinv.
Mitten inne speisen die Lehrer und Lehrerinnen und führen zugleich die
Aufsicht. In einem besonderen Theile des Hauses, der ehemals zur
Bäckerei diente, befindet sich der helle, gewölbte, 40 Fuß lange und
20 Fuß breite Wnschsaal. In zwei steinerne, muldenförmige Tröge
wird mittels einer Pumpe Wasser geleitet, über hundert Kinder können
an beiden Seiten hinzutreten und sich waschen und an den daneben
hängenden, reinlichen Handtüchern sich abtrocknen, worauf das Wasser-
mittels eines messingenen Hahnes durch eine unterirdische Rinne abge-
lassen wird; die Höhe der Tröge ist zwei Fuß und daher der Größe
der Kinder angemessen. Bon dem mit Backsteinen belegten, abschüssigen
Fußboden kann das überspritzende Wasser ablaufen; im Winter wird das
Wasser durch den im Saale befindlichen Ofen erwärmt. Andere Stuben
dienen zum Schuh-Putzen, Kopf-Reinigen, Wechseln der Wäsche. Die Letz-
tere ist abgetheilt nach der Zahl der Schlafsäle uitd liegt in Fächern
mit Nummern, wohin Tags vorher reine Wäsche gebracht wird. Ein
eigenes Zimmer fand man um deßwillen zweckmäßig, weil das Wäsche-
wechseln sonst in der Rollkammer unter den Augen und Händen der
Waschweiber geschah, wobei die Schamhaftigkeit nicht selten verletzt
wurde. In den oberen Stockwerken sind die Arbeits- und Schulzimmer
der Kinder, von außen nach den Klassen und Abtheilungen bezeichnet
und mit den Lektionstabellen versehen. Die luftigen, reinlichen Schlaf-
säle gehen größtentheils durch zwei Stockwerke, so daß die Ausdünstungen
sich oben sammeln und abziehen können. An den grün angestrichenen,
numerirten Betten, wovon jedes Kind ein eigenes hat, befindet sich am
Fußende eine kleine Bank zum An- und Auskleiden, welche angeklappt
werden kann. Die Bettüberzüge, welche 6 bis 8 Wochen liegen, tollten
wohl alle vier Wochen gewechselt werden. Zur Aufsicht schlafen die
jüngeren Lehrer, und bei den Mädchen die Lehrmeisterinnen zwischen den
Kindern. In der Nähe ist die sogenannte Einnäß-Kammer für diejenigen