1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
287
bewunderten seine fromme Standhaftigkeit. Aber aus seiner Asche
entsprang ein blutiger Religionskrieg. Seine Anhänger in Böhmen,
die Hussiten, rächten seinen Tov durch Abfall von dem Kaiser und
durch Verwüstungen der benachbarten Länder, so daß man endlich einen
Vergleich mit ihnen schließen mußte.
95. Das üünigreich Würteniltcrg.
Obgleich nur ein kleines Königreich, hat Würtemberg doch
vieles Merkwürdige. Es ist der rechte Sitz der Schwaben, welche
einst einen Hauptstamm unter den deutschen Völkern ausmachten.
Das Volk ist treu, herzlich, dabei sleissig und zu vielerlei Ge-
schäften tüchtig. Das Sprüchwort, dass ein Schwabe erst mit 40
Jahren verständig werde, ist wohl nur insofern wahr, als die
Schwaben aus allzu grosser Treuherzigkeit sich, so lange sie jung
sind, leichter bethören lassen und erst nach gemachten Erfahrun-
gen vorsichtiger werden. Ist doch Schwaben an Dichtern, Künst-
lern, Gelehrten reicher als irgend ein deutsches Land. Freilich
hat die würtembergische Regierung jetzt auch viel für die bessere
Bildung des Volkes gethan, und es finden sich nur noch Wenige,
welche nicht hinreichend im Lesen, Schreiben und Rechnen, sowie
in der Religion unterrichtet sind. Ebenso haben die Gelehrten-
schulen und die Universität Tübingen Viel geleistet, so dass
Würtemberg unter die gebildetsten Länder Deutschlands gerech-
net wird. Auch religiöser und wohlthätiger Sinn zeichnet die
Würtemberger aus. Unter andern gibt es bei ihnen über 20 Ret-
tungsanstalten für sittlich verwahrlosete Kinder. Auf den 360
Quadratmeilen, welche das Königreich beträgt, und welche viel
Gebirgsland enthalten, wohnen 1 800000 Menschen, also auf einer
Quadratmeile 5000. Da muss sleissig gearbeitet sein, wenn Jeder
sein Brod finden will. Das thun denn auch wirklich die Wür-
temberger. Viele aber wandern auch aus und suchen sich in der
Ferne eine neue Heimath, oder treiben auswärts Handel, wie die
schwarzwälder Uhrmacher. Dabei behalten sie jedoch immer
grosse Anhänglichkeit an ihre Heimath und verlieren niemals ihre
schwäbische Mundart, welche zwar etwas breit, aber zugleich
sehr gutmüthig klingt.
Die Hauptstadt des Landes ist Stuttgart in einem nach
dem Neckar zu gehenden Thale, welches mit Reben und Obst-
bäumen reich bepflanzt ist. Ihre Einwohnerzahl ist auf 46000
angewachsen, so dass man es jetzt zu den grossen Städten zählen
kann, in welchen ansehnliche Gebäude, Kunst- und Naturalien-
sammlungen, Theater und andere Vergnügungsanstalten nicht feh-
len. Von allgemeinem Interesse für jeden Deutschen ist das dem
aus Würtemberg gebürtigen grossen Dichter Schiller errichtete
Denkmal. Er allein würde sein Vaterland allenthalben berühmt
machen, darum wäre es undankbar gewesen, wenn man sein An-
denken in der Hauptstadt von Schwaben nicht geehrt hätte. Das
königliche Schloss in Stuttgart ist mit der gewöhnlichen Pracht