1856 -
Darmstadt
: Diehl
- Autor: Curtman, Wilhelm Jakob Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ganzen Gebietes. Dazu sind die bairischen Besitzungen mit Ausnahme
der Pfalz, jenseits des Rheines sehr abgerundet, und die Bevölke-
rung ist durch Sitte und Religion weniger gespalten als in ande-
ren Gegenden Deutschlands. Obgleich die Bevölkerung namentlich
in den Gegenden von Altbai er n nicht so dicht ist wie in den
kleineren Staaten Süddeutschlands, so ernährt Baiern doch 4'/,
Million Einwohner und ist also stärker als Würtemberg, Baden
und Hessendarmstadt zusammen, welche gemeinschaftlich ein
Armeecorps zur Bundesarmee stellen, während Baiern für sich
ein solches bildet und auch die kleine Bundesfestung Landau
allein besetzt. Das eigentliche Baierland liegt an der Donau und
deren Nebenflüssen, dem Lech, der Isar und dem Inn, welche aus
den Alpen kommen und eine hochliegende Ebene durchströmen.
Desshalb ist dort das Klima nicht so mild als am Alain und
Rhein, und von Weinbau ist dort nicht die Rede. Aber der Acker-
bau und die Viehzucht sind einträglich genug, dass das Volk
nicht in Fabriken seinen Unterhalt zu suchen nöthig hat. Dort in
Altbaiern liegt die Hauptstadt München an der Isar mit 130000
Einwohnern, so dass ihm in Deutschland nur Wien, Berlin und
Hamburg vorangehen. An neuen, schönen Bauwerken und Samm-
lungen von Gemählden, Bildsäulen und anderen Kunstwerken über-
trifft sogar München die anderen Hauptstädte Deutschlands. Auch
hat München wahrscheinlich die zahlreichste Bibliothek in Deutsch-
land, denn dieselbe soll aus 600000 Bänden bestehen. Auch die
Universität wetteifert in der Zahl der Studenten mit der zu Berlin.
Für den Fremden ist also Vielerlei dort zu sehen, auch die könig-
lichen Lustschlösser in der Nachbarschaft werden ihm gefallen.
Dass in München so ungeheuer viel Bier getrunken wird, und dass
das Volk keinen höheren Genuss kennt, kann dem Ausländer wohl
auffallen, indessen muss man doch bedenken, dass dadurch der
weit schädlichere Branntwein verdrängt ist, und dass gutes Bier
der Gesundheit am wenigsten schadet. Die Brauereien in München
und Baiern überhaupt gehören zu den grossartigsten Gewerben,
sie fördern den Ackerbau, und die Ausfuhr des bairischen Bieres
ist nicht unbedeutend.
Die Stadt Regensburg an der Donau war vordem bedeu-
tender als jetzt, hat aber immer noch Reste ihrer vormaligen
Grösse. Dahin gehört die vortreffliche steinerne Brücke über die
Donau, die einzige ganz gemauerte, welche über diesen Strom
führt. Auf 15 Bogen trotzt sie nun schon 7 Jahrhunderte lang
der Strömung, dem Eisgang und selbst den Kanonenkugeln, welche
in der Schlacht zwischen den Franzosen und Östreichern im Jahr
1809 dawider schlugen. In Regensburg residirt der Fürst von
Thurn und Taxis, dessen Vorfahren die Posteinrichtung erfunden'
oder wenigstens zuerst ausgeführt haben und zum Danke dafür
mit dem Rechte, in den deutschen Bundesstaaten die Posten auf
ihre Rechnung betreiben zu dürfen, belehnt worden sind.' Einige
Staaten haben jedoch dieses Recht durch Entschädigung abgelös’t.
Von Regensburg erblickt man auf einem mit einer alten Ruine
versehenen Hügel ein grossartiges, neues Gebäude, Walhalla