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1. Das Vaterland - S. 350

1856 - Darmstadt : Diehl
350 so erschlugen sie den frommen Greis vor seiner Hütte. Niemand hatte es gesehen als die Naben, welche eben erst auf den Schultern des Gemordeten gesessen hatten, und welche durch ihr klägliches Ge- schrei die verruchten Mörder, welche die Hütte durchsuchten, aber Nichts fanden, erschreckten. „Laßt uns gehen," sagte der Eine zu dem Andern, „die Raben des Einsiedlers gefallen mir nicht, und Geld und Geldeswerth finden wir doch nicht." Einige Tage darauf kamen einige fromme Pilger an die Hütte, um den ehrwürdigen Meinhard zu besuchen, aber sie fanden nur sei- den blutigen Leichnam. Alle weinten über das klägliche Ende des frommen Mannes und begruben ihn feierlich neben seiner Wohnung. So lange hatten die Raben immer schweigend auf dem Dache der Hütte gesessen, als aber die Leiche unter der Erde war, da flogen sie schreiend davon. Die Pilger gingen nun in die nächsten Dörfer und verkündigten die schändliche Mordthat, die an dem heiligen Meinhard begangen worden sei. Jedermann hörte es mit Grausen, und Jeder wünschte, daß die Mörder entdeckt und zur Strafe gezogen würden. Da sahen die Pilger auf einmal ein seltsames Schauspiel. Zwei Männer wurden von zwei Raben verfolgt. Immer kreisten die schwar- zen Vögel über den Köpfen der Männer, schrieen und fuhren auf die- selben los, als wollten sie ihnen die Augen aushacken. Die Männer schlugen nach ihnen, aber es half Nichts, die Raben kamen immer wieder. Da kam den Pilgern plötzlich der Gedanke: „Dies sind die Raben des heiligen Meinhard, und diese Männer sind seine Mörder." Sie nahmen die Männer fest und brachten sie vor Gericht. Die Raben folgten unermüdlich, und ihr Geschrei wurde immer schauer- licher. Die Mörder aber, welche schon lange vor den ihnen wohl- bekannten Vögeln erschrocken waren, läugneten ihr Verbrechen nicht länger und erkannten, daß das ein Strafgericht Gottes sey. Als sie hingerichtet waren, verschwanden die Raben, und Niemand hat sie wieder gesehen. 14. Christian Fiirehtegott Geliert. Auch Geliert hat wie so viele berühmten Dichter kein hohes Alter erreicht, auch war er nicht mit irdischen Gütern gesegnet. Allein er war in der Mitte des 18. Jahrhunderts der beliebteste aller deutschen Schrifsteller, und der grosse König Friedrich von Preussen hat ihn allen übrigen vorgezogen. Jetzt liest man seine Schriften weniger, obgleich seine Fabeln und Erzählungen, wie auch seine Kirchenlieder noch Alten und Jungen gefallen. Wer singt nicht gern: „Wie gross ist des Allmächtigen Güte!“ oder „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht,“ oder: „Oft klagt mein Herz, wie schwer es sei?“ Alle diese und noch viele anderen Lieder rühren von Geliert her. Dabei war Geliert ein so vortrefflicher, frommer, bescheidener und mildthätiger Mann, dass Jedermann ihm gut sein musste. Wie oft hat er von seinem geringen Ein- kommen als Lehrer an der Universität zu Leipzig arme Studen- ten unterstützt! wie oft selbst seinen letzten Heller mit ihnen ge- theilt! Denn er war nicht im Stande, einem Bittenden Etwas
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