1857 -
Waldenburg
: Selbstverl. G. Leo
- Hrsg.: Leo, Gottlob Eduard, ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelisch-lutherische Volksschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Otto der Reiche, Markgraf zu Meißen.
Otto der Reiche, Markgraf zu Meißen.
Wie ist denn dieser Markgraf zu dem Beinamen des Reichen gekom-
men V Die Ländereien, welche er besaß, waren keineswegs sehr umfangreich,
aber es wurde unter seiner Regierung ein Schatz entdeckt, an den visher
.Niemand gedacht hatte, ein Schatz, der tief unter der Grde, und zwar in
einer damals ganz unwirthbaren Kegend, verborgen lag, nämlich die Frei-
berger Bergwerke. Vs war uni das Jahr >170, als Fuhrleute aus Goslar,
welche Salz und Blei geladen hatten, in die Gegend kamen, in welcher
jetzt Freiberg liegt. , Die Gegend war unwegsam, und das Zugvieh — so
erzählt man vermochte den schwere» Wagen nicht von der Stelle zu
ziehen. Während man den Wagen herauswand, siehe, da erblickte man
eine Silberstufe. Die Fuhrleute »ahmen dieselbe mit in ihre Heimath,
und die Bergleute am Harz, wo damals schon Bergbau getrieben wurde,
fanden die ihnen vorgezeigte Silberstufe sehr reichhaltig und dachten: wo
diese gelegen hat, da muß wohl noch mehr Silber zu finden sei». . Und so
machten sich denn viele Bergleute aus den Harzgegenden auf und ^ogen in
die Gegend, wo jetzt Freiberg liegt. Diese Stadt ließ nämlich Otto er-
bauen und gab ihr viele Freiheiten; daher ihr Name. Durch diesen Fund
des schonen Freiberger Silbers wurde nun Stto allerdings ein sehr reicher
Herr; aber es ging ihm nicht wie anderen Leuten, welche, wenn sie schnell
reich werden, nicht wissen, was sie mit dem Gelde machen sollen, »ein,
Markgraf Otto wendete sein Geld sehr gut an. Scho» vor Auffindung
der Freiberger Silbergruben hatte er zu Zelle bei Nossen ein großes
Kloster gestiftet. Gin solches Kloster war auch eine Wohlthat für das
Land in der damaligen Zeit. Der Fremde, welcher vielleicht eine weite
Reift durch unwirthbare Gegenden gemacht hatte, freute sich gewiß, wenn
er die Mauern von Zelle erblickte; denn hier fand er bei den gastfreien
Visterzienftrmonchen sichere Aufnahme und Labung durch Speise und Trank.
Dabei waren die Visterzienftrmonchewon Zelle fleißige und gelehrte Leute,
und sorgten daher auch für Verbreitung nützlicher Kenntnisse unter Städte-
nud Dorfbewohnern. Durch de» reichen Freiberger Bergsegen wurde Otto
in den Stand gesetzt, dieses Kloster stattlich auszubauen und zu erweitern.
Unter den Städten erfuhr besonders Leipzig reiche Wohlthaten des
reichen Markgrafen. Gr umgab diese Stadt mit einet festen Mauer und
mit tiefen Graben, schenkte ihr viele Freiheiten, erbaute die dastge Nicolai-
kirche und stiftete ln Leipzig die beiden Hauplmessen, die Oster- und
Michaelismesse. Messen nennt man heute »och diese großen Jahrmärkte,
weil sie nach beendigter Messe, einer bekannten gottesdienstlichen Handlung
der römisch-katholischen Kirche, ihren Ansang nahmen.
Man sollte nun denken, Otto sei, weil er so reich war, daß er nicht
bloß viel bauen, sondern auch ganze Ländereien, z. B. Weißensels nebst
Zubehör an sich kaufen konnte, ein recht glücklicher Herr gewesen. Und
doch war es nicht so. Wer einmal Grimma besucht, wird, wenn er Zeit
hat, gewiß nicht unterlassen, das hoch über der Mulde gelegene Dorf
Döben auszusuchen. Döben hat ein altes schönes Schloß; aber von
einem Thnrme dieses Schlosses wird dein Wanderer erzählt: Hier saß einst
Markgraf Otto als Gefangener. Und wer hat ihn denn in diese Gefangen-
schaft gebracht? Sein eigener Sohn, Albrecht der Stolze, welcher sich da-
durch gekränkt fühlte, daß sein Bruder Dietrich, gewöhnlich Dietrich der
Bedrängte genannt, im Testamente des Olto besser als er bedacht worden
war. Wer so Bitteres am eigenen Sohne erfährt, ist gewiß ein recht armer