1864 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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traurig da. Ringsum hatten nämlich Nesseln, Schlingpflanzen und an-
deres Unkraut gewuchert und dem Bäumchen die beste Kraft zum Wachs-
thum entzogen. So war es das kleinste geblieben. Warum, mein
Sohn, fragte jetzt der Vater, giebt dein Bäumchen keine Frucht und
steht so traurig da? —
§. 8. Der Sohn schlug die Augen zur Erde, Rothe bedeckte seine
Wangen, und er sprach: „Das Unkraut trägt die Schuld." — Also
verderben böse Gesellschaften die guten Sitten, redete ernst
der Vater; möchtest du, mein Sohn, nie wieder vergessen, was dich
das Bäumchen lehrt! Auch du ließest durch Lösen Umgang dich ver-
führen, und würdest du solchen künftig nicht vermeiden, so würden wir
von dir vergeblich Früchte hoffen!
Wilhelm umarmte den Vater mit heißen Thränen, vergaß dessen
Lehre nie und wurde ein braver Mann.
42. Der Gärtner und das Bäumchen.
O Gärtner, möchtest du mir sagen,
Warum ich den Verlust erlitt? —
So sagt' ein Baum, oen man beschnitt.
Der Gärtner sprach: Durch mein Bemüh'n
Wirst du im Frühling schöner blüh'n,
Und bess're Frucht im Herbste tragen.
Wie manches Nehmen giebt,
Wie manches Zögern eilet,
Wie manches Zürnen liebt,
Wie manch' Verwunden heilet I —
43. Der Spaziergang.
An einem schönen Morgen, als kaum die Sonne aufgegangen
war, fiel es Wilhelmen ein, auszugehen. Ich will, sagte der Knabe,
langsam gehen, und schlenderte behaglich dem Walde zu. Dorr
wohnte ein Förster, mit dessen Sohne Wilhelm Umgang hatte. Auf
seinem Wege begegneten ihm schon einige Fußgänger, welche mit ver-
schiedenen Waaren nach der Stadt eilten. Der Knabe schlug nun we-
niger gangbare Pfade ein, und war bald am Eingänge des Waldes
Tiefer in diesem sah er einen Greis, welcher mit unsicherem Gang im
Gehölze umherwankte, um sich ein Bündel Reisholz zu sammeln. Wil-
helm grüßte den Alten freundlich und empfand Mitleid über ihn.
- Ich begehe keinen Fehler, sprach er zu sich selbst, wenn ich dem
Manne ein wenig helfe. Er that es, und der Greis dankte herzlich.
Ach, sprach er, ftüher war mir dies Geschäft leichter. Aber Ju-
gend und Kraft sind vergänglich; jetzt bin ich alt, da wird es mir
sauer. Doch das Alter ist der Übergang zum Tode; bald werde ich
in den Himmel eingehen.
Wilhelm gingen die Worte des Greises zu Herzen und er sprach: