1864 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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scheulich. Darauf urtheilten sie Alle, die Frucht könne wohl für Amerika
gut sein, aber in England werde sie nicht reif. Da ließ denn der
Gutsherr einige Zeit nachher die Kartoffclsträuche heransreißen und wollte
sie wegwerfen lassen. Doch hört! Eines Morgens im Herbste ging er durch
seinen Garten und sah in der Asche eines Feuers, das sich der Gärtner
angemacht hatte, schwarze, runde Knollen liegen; er zertrat einen, und
siehe, der duftete so lieblich, daß er den Gärtner fragte, was für Knol-
len diese wären. Dieser sagte, daß sie unten an der Wurzel des frem-
den Gewächses gehangen hätten. Nun ging dem Herrn erst das
rechte Licht auf. Er ließ die Knollen sammeln, zubereiten und lud
dann seine Freunde wieder zu Gaste. Diesen schmeckte das Mahl vor-
trefflich, und sie wurden inne, wie sehr der Mensch irren kann, wenn
er nur nach dem urtheilt, was an der Oberfläche ist.
Wir kehren indeß zu unserer Kartofselblüthe zurück. Wenn ihr die
einzelnen Theile derselben genauer ansehet, so werdet ihr finden, daß
die Theile des Kelches, der Blumenkrone und die Staubbeutel
in gleicher Anzahl vorhanden sind. Fünf am Grunde verwachsene Blät-
ter bilden den Kelch, fünf ebenfalls unten miteinander verbundene die
Blumen kröne, und fünf haben sich zu Staubfäden gestaltet.
Die Kartoffel habt ihr nun schon manches Jahr genossen, und viele
Menschen hat sie vielleicht fast allein erhalten. Doch setzen wir uns
so oft gedankenlos zu Tische, und lassen uns Speise und Trank
munden, ohne daß wir uns die Frage vorlegen: Wie kommt es
denn eigentlich, du guter Gott, daß diese Knollen im Stande sind, uns
zu ernähren? Solch eine Frage bei Tische ist auch ein stilles Gebet,
weil es zum Vater führt; aber Klatschereien über den Nächsten führen
nicht dahin. Wenn ihr aus eurem Teller eine Kartoffel zerschneidet, so
bemerkt ihr an eurem Messer eine mehlartige Masse. Diese nennt man
das Stärkemehl. Wenn die Frau Mutter einmal die rohen Kartof-
feln zerreibt, um daraus die Kartoffelklöße zu verfertigen, und ihr euch
dazu gesellt aus Neugierde und Ungeduld, daß sie nicht gleich fertig sind,
wie der Brei in die Schüssel fällt; so könnt ihr dabei schon etwas
lernen, was besser wäre, als daß ihr gedankenlos in den Topf gucktet.
Ist nämlich der Brei ausgedrückt vom Saft, so senket sich in der Flüs-
sigkeit eine Mehlart. voll glänzendem' Ansehen rasch zu Boden. Das
ist die Stärke in reiner Gestalt. Nun besteht die Kartoffel auch noch
aus einem faserigen Theile, eben jenem Brei. Das ist das Zellen-
gewe-be, das aus Tausenden von Zellen zusammengesetzt ist. In jeder
derselben befindet sich das Stärkemehl eingeschlossen, Korn an Korn.
Es besteht nämlich dieses Mehl aus imzähligen einzelnen Stückchen,
die lvie runde oder eckige Zellen erscheinen. Im Innern lagern bei
der Kartoffel viele Schichten kreisförmig um einen Kern, so daß ein
Kreis in einem andern steckt. Es ist eine wahre Pracht, dies unter
dein Vergrößerungsglase zu schauen. Das Stärkemehl ist der vorzüg-
lichste Nahrungsstoff der Kartoffel für das thierische Leben und für die
Pflanze selbst von ähnlicher Vedelltung; denn hier ist es die Grund-