1864 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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rath nicht in die Wuth, welche.zu Grausamkeit verleitet, und die Klug-
heit vermag letzt im Kriege mehr, als die rohe Körpcrstärke. Doch weit
wichtiger ist das Llei durch die Erfindung des Mainzers Johann
Guttenberg geworden. Mit einem geringen Zusatz von Spießglanz,
welcher dem allzu weichen Blei etwas mehr 'Härte giebt, wird das
sogenannte Lettern gut bereitet, aus welchem die Lettern, worauf sich die
Buchstaben befinden, gegofien werden. Durch dieses Mittel, und weil man
die einmal in Ordnung gesetzten Buchstaben gar viel tausendmal abdrucken
kann, und zwar mit einer unbegreiflichen Geschwindigkeit, ist es möglich
geworden, Alles, was ein einzelner Mensch gedacht und niedergeschrieben
hat, unzählig vielen zu lesen zu geben. Nun weiß jeder, der Lesen
gelernt hat, ans der Zeitung, was in Rußland, in der Türkei geschieht;
er erfährt, wenn Schiffe ankommen und abgehen, was für neue Waaren
die Kaufleute erhalten haben, aber auch, was für Spitzbuben entsprun-
gen sind, und wie dieselben aussehen. Was sich aber all' aus Büchern
lernen läßt, das ist gar nicht aufzuzählen; denn kein Mensch lernt
jemals aus. Bücher giebt es jetzt in allen Häusern; ohne Blei und
Buchdruckerkunst wären sie aber den meisten Leuten zu theuer, selbst den
wohlhabenden. Und ich glaube, nicht der hunderffte Theil von den
Menschen, welche jetzt lesen und schreiben können, hätten dies gelernt,
wenn es keine gedruckten Bücher, also auch keine Abc-Bücher gäbe.
Wenn das Blei auf diese Weise der ganzen Menschheit nützlich
geworden ist, so hat man nicht nöthig, erst anzuführen, daß es auch
zu Brunnenröhren gebraucht wird, und daß die weiße Ölfarbe aus
Bleiweiß, einer giftigen Verkalkung des Blei's, bereitet wird.
8ä. Geschichte eines Fingerhntes.
Wenn der stählerne Fingerhut seine Geschichte erzählen könnte,
würde er also sprechen:
Vor nicht langer Zeit lag ich tief, tief in der Erde in einem
langen, dunkeln Gefängnisse. Ein ganzes Heer von Fingerhüten, die
jetzt wohl in alle Welt zerstreut sein mögen, waren meine Kameraden.
Aber keiner konnte zu dem andern kommen, jeder mußte für sich bleiben.
Wir waren damals noch unansehnliches Eisengestcin und lagen
regungslos zwischen den meilenlangen Felswänden unseres Gefängnisses
wie hineingegossen da. Wären wir nicht ans Tageslicht gekommen, wir
wären immer starres Gestein geblieben. Lange, ach gewiß viele tausend
Jahre, mochten wir so dagelegen haben, als wir einstens ein Pochen
an der dicken Wand unseres Kerkers vernahmen. Es war so taktmäßig,
wie das Picken der Wanduhr hier in der Stube. Gern hätte ich erfah-
ren, was das sei; denn obwohl ich damals noch kein Fingerhut mit
vielen Augen war, so war ich doch schon etwas neugierig. Zu Zeiten
hörte das Picken und Pochen auf; aber dann erdröhnte ein gewaltiger
Donner, daß wir alle zitternd zusammenschraken, die Gesängnißmauern
mit. Das Klopfen kam mit jedem Tage näher, und eines Tages ver-
nahm ich es ganz dicht vor meinen Ohren. Ehe ich's mich versah,