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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 155

1864 - Essen : Bädeker
155 erdröhnte jener fürchterliche Donner wieder, und zusammenbrach ein Stück, von der Wand unseres Kerkers. Frei von den Ketten, flog ein Theil von uns, in einzelne Steine zerstückelt, heraus, ich mit, aber vom Schreck wurde der eine hierhin, der andere dorthin geworfen. Mir war Hören und Sehen vergangen. Als ich wieder zur Besinnung kam, sah ich Männer vor mir stehen, die hielten Lampen in der Hand und waren in Leinwand von schwarzer Farbe gekleidet. Auf dem Kopfe trugen sie einen grauen Filzhut ohne Krempen, und einige von ihnen hatten spitze Eisenstäbe und Hammer. Der Schein ihrer Lichter machte es so hell, daß ich mich nun auch umsehen konnte, wo ich denn eigentlich war. Ich lag noch immer unter der Erde, aber in einem großen, hohlen Felsenraume, in dem ein Haus gewiß Platz gehabt hätte. Meines Gleichen lagen noch viele auf dem Boden des Felsengewölbes. Nicht lange, so stellten sich die schwarzen Männer längs der Felswand auf, das spitze Eisen in der einen Hand, den Hammer in der andern. Das Klopfen ging von neuem los, indem sie nach dem Takte mit dem Hammer auf das Eisen schlugen und dadurch Löcher in die Felswand bohrten. Als diese tief genug waren, füllten sie dieselben mit Pulver an, verschwanden plötzlich und versteckten sich in Felsengänge. Einige Augenblicke war es todtenstill, doch bald blitzte das Pulver auf, und rasch folgte der Donner hinterdrein. Eine Menge Gefangene prasselten wieder aus ihrem Gefängnisse heraus. Das ging Tag für Tag so fort. Eines Tages lud uns ein Mann in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent- lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas bücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der höher und breiter war, als der erste. Hier choß Wasser hell und klar, und auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann setzte sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei' meiner Fahrt wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte rs hohl, wie in einein Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre- ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Höhe ge- wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben; denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer Auffahrt geleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber bald ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen ein „Glück auf!", wie ich's oft von den Männern gehört hatte, wenn sie zu Tage fahren wollten. Allmählig fing es an zu dämmern, und mit jedem Schritte höher,wurde es Heller und Heller, bis uns das Sonnenlicht ganz beschien.
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