1864 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Sophia, einer ehrsüchtigen, aber der niederträchtigsten Handlungen fähigen
Person. Sie wandte sich an die Strclitzen, die regelmässigen Truppen
der Hauptstadt. Eine Verschwörung entstand. Natalia und Peter flohen nach
einem festen Kloster, 6 Meilen von Moskau. Auch dahin folgten ihnen die
Mörder. Nach langem Suchen fanden sie Peter in der Kirche, am Altare
knieend. vor ihm die Mutter, die schützenden Arme ausbreitend. Eben wollte
ein wüthender Strelitz ihm das Messer in die Brust stossen, als ein anderer
ihm zuschrie: „Halt, Bruder 1 nicht hier am Altar 1 Er kann uns ja doch
nicht entgehen 1" — Das rettete den Zaren; denn eben war die Reiterei er-
schienen und jagte die Meuterer auseinander. Peter versprach Verzeihung,
wenn die Anführer ausgeliefert würden. Dreissig wurden hingerichtet; die
Ruhe ward wieder hergestellt.
Peter wuchs kräftig heran. Sein Lieblingsichrer und Freund wurde Le -
fort, ein Kaufmannssohn aus Genf, der nach mancherlei Schicksalen und
Reisen endlich nach Moskau gekommen war, und nun dem wissbegierigen
Peter von fremden Ländern und Gebräuchen stets erzählen musste. Als er
ihm einst die Einrichtung des europäischen Militärs lebhaft beschrieben hatte,
sprang Peter begeistert auf und rief: „Das will ich auch versuchen!“ In
einem Dorfe bei Moskau errichtete er eine Compagnie von 50 Jünglingen
seines Alters: Lefort ward ihr Hauptmann und Peter diente selbst als Ge-
meiner; denn nur Verdienst, nicht aber Zufall der Geburt sollte zur Auszeich-
nung führen. Dies Alles betrachtete Sophia im Anfang nur als ein Kinder-
spiel, bis in ihr der Verdacht aufstieg, es könne doch eine ernstere Bedeu-
tung haben. Abermals entwarf sie mit ihren Vertrauten den Plan, Peter mit
der Mutter zu ermorden. Peter, zeitig gewarnt, floh wieder nach jenem Klo-
ster und rief seine 50 Freunde herzn. Diese mit vielen anderen kamen.
Die Verschworenen wagen keinen Angriff. Peter aber lässt die treulose
Schwester ergreifen und unter strengem Gewahrsam in ein Kloster bringen.
Russland war damals noch nicht das grossmächtige Land, das es jetzt ist.
Es hatte weder am schwarzen Meere, wo die Türken, noch an der Ostsee,
wo die Schweden herrschten, Häfen. Asow, die bedeutende Hafenstadt,
hatten früher die Russen besessen; Peter musste es aber erst den Türken
wieder entreissen. Um Seeleute zu gewinnen, sandte er ganze Schaaren jun-
ger Leute nach Venedig und Livorno, wo sie den Seedienst erlernen mussten.
Doch dies Alles befriedigte seinen Geist noch nicht. Er fühlte, er müsste
selbst mit dem Beispiele vorangehen, wenn seine am alten Herkommen kle-
benden Russen aus ihrem Schlaf sollten aufgerüttelt werden. Zugleich trieb
ihn sein wissbegieriger Geist, fremde Länder zu sehen, fremde Sitten und
Einrichtungen kennen zu lernen. Er beschloss daher, eine Gesandtschaft
durch einen Theil Europa’s reisen zu lassen und sich unter sie zu mischen,
um den Ehrenbezeugungen und Festlichkeiten zu entgehen, die er sonst ab-
zustehen gehabt haben würde. Lefort führte die Gesandtschaft. Holland, als
der erste Handelsstaat damaliger Zeit, zog ihn vor allen an. In 8aardam,
einem grossen Dorfe. Amsterdam gegenüber, wohnte er 7 Wochen lang in
einer armseligen Schifferhütte. Jeden Morgen ging er mit dem Beile in der
Hand nach den Schiffswerften, arbeitete wie der gemeinste Zimmermann und
liess sich Peter Michaeloff nennen. Auch in der Schmiede arbeitete er mit
und erlernte auch die Chirurgie. Von Holland ging er nach England, um
das englische Seewesen kennen zu lernen, und äusserte bei dieser Gelegen-
heit, er wolle eben so gern ein englischer Admiral, als russischer Kaiser sein.
Eben war er im Begriff, das Wunderland Italien zu besuchen, als ihn die
böse Nachricht traf, dass sich die Strelitzen abermals empört hätten. Er eilte
zurück. Als er in Moskau ankam, war durch einen tapfern General der
Aufruhr gedämpft. Nun hatte er nichts eifriger zu thun, als seine Pläne zur
Bildung seines Volks in Ausführung zu bringen. Er liess nicht nur Bücher
aus fremden Sprachen ins Russische übersetzen und Schulen anlegen, son-
dern erklärte auch diejenigen, welche nicht lesen und schreiben könnten des