1859 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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gehalten hatte, belagerte, wehrten sich die Bürger so verzweifelt, daß
er im Unwillen schwur, wenn er hineinkomme, werde er keinen, der
die Waffen geführt, verschonen. Der Hunger zwang endlich die Stadt,
sich zu ergeben, und kein Bitten und Flehen vermochte nun den Kaiser
zur Gnade zu bewegen. Nur den Weibern, beladen mit ihren besten
Schätzen, wurde freier Abzug bewilligt. Aber als sich das Thor öffnet,
was zeigt sich den mordlustigen Kriegern des Kaisers? Eine lange
Reihe der Weiber, die, mit Zurücklassung ihrer liebsten Habe, ihre
Männer, Väter und Söhne als ihre besten Schätze auf dem Rücken
trugen. Obgleich mancher aus des Kaisers Gefolge diese List nicht
gelten lassen wollte, so erklärte dieser doch, sein kaiserliches Wort
müsse gehalten werden. Die Weiber hatten den Männern das
Leben gerettet, und der Kaiser belohnte diese ihre Treue dadurch, daß
er ihnen auch alle ihre Besitzthümer ließ.
Von der Treue der Schwaben gegen den Landesherrn wird folgende
Geschichte erzählt. Als Gras Eberhard von Würtemberg in seinem
Alter in Wild bad sich erholen und die vielen Wunden, die er in den
Schlachten für sein Land empfangen, heilen wollte, wurde er plötzlich von
feindlichen Rittern dort eingeschlossen und wäre ohne Zweifel von ihnen
gefangen worden, hätte ihn nicht ein treuer Unterthan gerettet. Ein Hirt
war es; dieser eilte athemlos herbei, dem Grafen die Botschaft vow den
heranziehenden Feinden zu bringen. Aber damit begnügte sich der Mann
nicht, er zeigte dem alten Herrn zugleich einen verborgenen Pfad zur
Flucht, und als dieser nicht rasch genug den Berg hinaufsteigen konnte,
nahm ihn der kräftige Schwabe auf seinen Rücken, trug ihn bergan und
ruhte nicht, bis er ihn hinter sichere Mauern gebracht hatte*).
Bei weitem die Mehrzahl der Bewohner Württembergs bekennt sich
zur evangelischen Religion.
36. Der hohe Staufen.
In der Mitte des schwäbischen Landes, fast gleich weit vom Rhein,
vom Lech und dem Bodensee entfernt, erhebt sich der hohe Staufen,
ein kegelförmiger Berg, auf deffen Gipfel einst das Stammhaus der
schwäbischen Herzoge und Kaiser gestanden hat. Weithin ist des
Berges Haupt sichtbar, und du magst kommen, von welcher Richtung
du willst, so zeigt sich dir sein kahler Scheitel. Er beherrscht
eben so die Gegend und die niederen Berge, wie die mächtige
Regentenfamilie, die einst hier hausete, die niedern Geschlech-
ter und die Landschaft umher beherrscht hat. Der baumlose Gipfel
des Berges gewährt eine herrliche Aussicht. Gegen Süden übersieht
man die schwäbische Alp mit ihren begrünten Höhen oder zackigen
Felsen; hinter ihr ragen in weiter bläulicher Ferne, wie Wolken am
Horizont, die Schneegebirge Tyrols und der Schweiz hervor.
Gegen Westen erblickt man die schönen Gegenden, die der Neckar durch-
*) S. am Schluffe dieses Abschnittes das,Lied: 12. Der reichste Fürst.