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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 136

1859 - Essen : Bädeker
136 66« Hanf und Flachs. Diese beiden Gewächse, welche in Deutschland fast allenthalben angebaut werden, verdanken ihre Verbreitung weder ihrer Blüche, noch ihren Früchten, sondern ihrem Stengel. Dieser enthält nämlich zähe Fasern (Bash, welche, nachdem sie von den spröden, holzigen Scha- len befreit sind, biegsame Fäden geben, die sich spinnen lassen. Welchen unendlichen Nutzen diese gewähren, kann sich jeder selbst auf- zählen, wenn er rm die Waaren des Seilers, an die Fäden, von dem Pechdrathe des Schusters bis zu dem Zwirn der Näth.erin, an die Leinwand von dem groben Packtuche bis zu dem feinsten Battist denkt. Zwar hat man in neuerer Zeit die ausländische Baumwolle vielfach an die Stelle des Flachses ge- setzt, aber das feinste und dauerhafteste Gewebe bleibt immer die Leinwand. Der Hans hat den Vorzug größerer Festigkeit und Dauerhaftigkeit, aber Feinheit und Schönheit bleibt auf der Seite der flächsenen (leinenen) Gespitmste. Und wieviele Personen finden Ar- beit und Verdienst bei der Behandlung dieser beiden Gewächse! Der Bauer, welcher pflügt und säet, die Weiber, welche die Winterabende durch Spinnen und Haspeln kürzen, im Herbste brechen, schwingen und hecheln, im Sommer das gefertigte Tuch bleichen, die Weber, welche spulen, zetteln und weben, die Färber, welche dem Garn oder der Leinwand eine andere Farbe geben; alle haben ihren Vortheil von dem Anbau dieser Pflanzen , den Seiler gar nicht gerechnet. Dazu kommt, daß Hanf und Flachs öligen Samen bringen, welcher sich mannigfaltig benutzen läßt, der Hanf mehr als Futter für im Käfig gehaltene Vögel, der Lein aber zu Öl. Zwar hat das Leinöl nicht den guten Geschmack des Mohnöls, des Nußöls u. s. w., allein zu Firniß und Ölfarbe ist es unter allen das brauchbarste. Und der Flachs trägt reichlich. Aus seinen blauen Blüthen bilden sich erbsengroße Knoten, in deren Fächern die platten Leinkörnchen in Menge sitzen. Wenn die Sonne die Knoten gesprengt hat, fallen die Körnchen meistens von selbst heraus, doch hilft man durch Dreschen noch nach. Obgleich die Arbeit bei dem Bau und der Zubereitung des Flachses nicht leicht ist, so herrscht doch gewöhnlich große Fröhlichkeit dabei, freilich bisweilen auch Leichtsinn, indem man bei dem Dörren mit dem Feuer nicht vor- sichtig umgeht. Es sind schon ganze Ortschaften dadurch in Feuers- noth ¡ gekommen. So groß die Ähnlichkeit in der Behandlung des Hanfes und Flachses ist, so ungleich sind die Pflanzen selbst. An dem Hanf ist alles größer und gröber, mannshohe Stengel, dickere, runde Samenkörner, widriger Geruch, unschöne Blüthe; an dem Flachs ist dies alles an- ders. Dennoch erträgt der letztere mehr Kälte und kommt in gerin- gerem Boden fort. Derbeste Lein kommt aus Rußland, der beste Hanf aus Italien. Übrigens läßt sich aus Brennnesseln noch feinere Leinwand bereiten, als aus Flachs. Wäre es nur nicht so mühsam.'
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