1859 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Schon kniete brünstig, stillandächtig
Der Kaiser vor dem Hochaltar,
Mit Grafenkronen prächtig
Um ihn die Heldcnschoar;
Schon fällt vom Spiel der Lichter
Ein rosenfarbner Schein
Auf ihre klaren Angesichter:
Da tritt der Heide keck hinein.
Er staunt, als er die stolzen Paire
Mit Karl auf ihren Knieen erkennt,
Damit sie himmlisch nähre
Das ew'ge Sakrament;
Doch staunt er deß' nicht minder,
Da sich kein Priester fand,
Und sich! Es kamen Engelkinder
Im blüthenweißen Lichtgewand.
Sie boten zum Versöhnungsmahle
Das Sakrament dem Kaiser dar,
Das auf smaragdner Schale
Sie trugen wunderbar.
Und Jubel füllt die Seelen,
Der Heiland kehret ein;
Es dringt ein Lied aus tausend Kehlen
Vom göttlichen Zugegensein I
Der Sachse steht betäubt, er faltet
Die Hände fromm, sein Aug' ist naß;
Das hohe Wunder spaltet
Den heidnisch argen Haß. —
Hin eilt er, wo der Haufe
Mit frohem Blick ihn mißt,
„Gieb, Karl, dem Wittekind die Taufe,
Daß er umarme dich als Christ!" —
(Platen.)
11 Roland.
Manche Kriege hat Karl der Große, von tapfern Dienstmannen
unterstützt, zur Verbreitung des Christenthums geführt. Selbst bis
nach Spanien hin — wo damals arabische Fürsten regierten —
trug er seine Waffen. Dieser Feldzug ist in einer alten Sage ver-
herrlicht, in der Sage von Roland, einem seiner Getreuen. Als
Karl mit den Fürsten seines Reiches auf einem Reichstage zu Pader-
born versammelt war, erschien ihm in der Nacht — so erzählt die
Sage — ein Engel, der zu ihm sprach: „Eile gen Spanien, wo
die Heiden untugendlich in Abgötterei leben, damit du dieses Land
gewinnest und die Krone des Himmels erbest. Hier nimm dieses
Schwert und dieses Horn und gieb es deinem Neffen Roland, der
soll an dieser Heerfahrt das ewige Leben verdienen." —
Da machte sich im Jahre 778 Karl auf mit seinen zwölf Helden,
unter denen Roland der vornehmste war, und mit vielem Kriegsvolk,
daß er dem Heidenthume in Spanien ein Ende mache und das
Christenthum mehre. Die Araber wurden geschlagen und Karl be-
mächtigte sich in kurzer Zeit der wichtigsten Städte und eroberte fast
ganz Spanien. Auf dem Rückzüge aber — als sein Heer mit Beute
beladen, zerstreut, langsam und in fröhlicher Sorglosigkeit durch die
engen Gebirgsschluchten von Ronceval daherzog, wurde der Nachtrab
von den auflauernden Arabern überfallen, beraubt und größtentheils
niedergehauen. Hier fiel nebst vielen andern berühmten Helden auch
der Ritter Roland, der Liebling des Kaisers. Er war von vier
Speeren und vielen Steinwürfen hart verletzt. Da nahm er sein herr-
liches und leuchtendes Schwert und gedachte es lieber zu zertrümmern,
als den Arabern zu überliefern, und er schlug aus allen Kräften auf
einen Marmorstein. Aber das Schwert spaltete den Stein und zerbrach
doch nicht. Alsdann nahm er sein Horn und stieß mit solcher Kraft
hinein, daß es zersprang und die Adern an seinem Halse zerrissen.
Kaiser Karl, der schon 8 Meilen voraus war, vernahm den gewaltigen
Schall und kehrte wieder um; aber er fand Roland, die Arme in